Luxus

Für jeden bedeutet Luxus etwas anderes: ein schnelles Auto, eine teure Uhr, in der Hängematte liegen, Zeit für die Familie. Oder doch nicht? Was macht aus einem Service Luxus? Ein Forscherteam um Juniorprofessor Martin Fritze von der WiSo-Fakultät der Uni Köln hat sich aufgemacht, um dies auf Johann Lafers Stromburg herauszufinden.

Unter dem Motto „Ganz in Weiß“ hatte Johann Lafer auch dieses Jahr wieder zu seiner Hausparty auf der Stromburg eingeladen. Exquisites Essen und Getränke standen auf dem Programm, genauso wie ein wundervoller Ausblick, das edle Flair der Burg und ein erlesenes Unterhaltungsprogramm.

In der Einladung zur Hausparty wurden den Gästen der finanzielle Rahmen mitgeteilt: „Der Eintritt kostet 245 Euro pro Erwachsenem, einschließlich aller Speisen, Getränke und Showacts. Für Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 16 Jahren sind nur 145 Euro zu zahlen, Kinder unter sechs Jahren feiern sogar kostenlos mit.“ Echter Luxus also.

Der richtige Rahmen für Juniorprofessor Martin Fritze, der sich dafür interessiert, welche Elemente dazu beitragen, dass die Kunden eine Dienstleistung als Luxus empfinden. Hier kommen viele Aspekte in Frage: das Essen selbst, wie es angerichtet ist, das Ambiente, die Bekanntheit der Marke. Auch geht Fritze der Frage nach, welche Luxus-Services von den Kunden besonders gerne in Anspruch genommen werden.

Wir haben die Gäste auf der Stromburg, den Wissenschaftler Fritze und Johann Lafer persönlich danach gefragt, was für sie Luxus ist:

(c) Bags Cleaning Services Singapore

„Deutschland ist was die Erfahrung mit und Nutzung von Luxus-Services angeht noch relativ unerschlossen. Hier dreht sich viel um Luxus-Restaurants und Hotels,“ sagt Fritze. In anderen Ländern ist das Angebot bereits vielfältiger und umfasst andere Lebensbereiche. So können in Singapur die Damen ihre Luxusmarken-Handtaschen zu einem Reinigungsservice bringen. Auch private Chauffeure sind anderorts eine etablierte Luxus-Dienstleistung.

(c) Royal Plaza on Scotts

Auch das Leben in einer Wohnung, die mit dem Service eines Hotels kommt, ist in Singapur möglich. Serviced Apartments nennt sich das Konzept. Wäsche waschen und bügeln, Reinigung der Wohnung, Einkaufen – auf Wunsch alles inklusive. Oder es ist nur in der Mittagspause Zeit, um das Schönheitsprogramm zu absolvieren. In Singapur kein Problem. Haare, Fuß- und Fingernägel in einer Stunde, so dass drei Paar kompetente Hände parallel am Kunden oder an der Kundin arbeiten.

Bisher lag der Schwerpunkt beim Luxus-Konsum in Deutschland mehr auf den Luxusgütern, also den teuren Autos, Uhren, Schmuck. Für die Studie „Wirtschaftsfaktor Luxus Deutschland – Branchenmonitor“ versuchte die Unternehmensberatung Roland Berger, Luxus zu definieren: Autos über 80.000 Euro, Uhren über 2500 Euro, Echtschmuck über 1500 Euro, Restaurants mit einem Michelin-Stern, die First Class im Flugzeug, Privatjets, Hotels mit fünf Sternen, usw. In Deutschland spielt beim Luxus-Konsum das „Understatement“ eine wichtige Rolle: Man kann sich zwar Luxus leisten, es sollte aber nicht protzig sein.

Wir haben Dr. Martin Fritze gefragt, ob Luxus in Deutschland etwas Anrüchiges hat. Und Johann Lafer haben wir gefragt, ob es im Sinne des Understatements auch mal eine Curry-Wurst sein darf.

In den letzten Jahren rückt die Luxus-Dienstleistung immer mehr in den Mittelpunkt. Nur ist hierzu noch nicht viel geforscht worden. Wie erleben Kunden Luxus-Service? Was trägt dazu bei, dass Kunden einen Service als Luxus wahrnehmen? Fritze und sein Team haben beim Sommerfest auf der Stromburg Gäste von Johann Lafer befragt, um dem Geheimnis des Luxus-Service auf den Grund zu gehen.

Und was hat den Kunden an dem Abend auf der Stromburg besonders gut gefallen?

Erste Ergebnisse zeigen, dass ein Luxusempfinden im Dienstleistungskontext vor allem durch die persönliche Interaktion von Kunde und Dienstleister bedingt ist. Durch das außerordentliche Bemühen um die Erfüllung der Kundenwünsche entsteht ein Gefühl der Exklusivität. Auch für Johann Lafer sind dies bereits wertvolle Einsichten: „Wir haben die individuellen Kundenwünsche schon immer als Dreh- und Angelpunkt für die Zufriedenheit unserer Gäste wahrgenommen. Dies nun aber nochmal bestätigt zu wissen, hilft uns bei der Gestaltung unseres Dienstleistungsangebots.“

Ein besonderes Ambiente sowie aus Kundensicht unerwartete oder unbekannte Leistungen tragen dazu bei, dass das Erlebnis als besondere Erinnerung bleibt. Das Luxus-Dienstleistungserlebnis wird von den Befragten als positive Flucht aus dem Alltag beschrieben. „Es scheint fast ironisch, dass im digitalen Zeitalter die Dienstleistungen ein Luxusempfinden hervorrufen, welche eine (Rück-)Besinnung auf das persönliche und multisensorische Erfahren ermöglichen“, kommentiert Fritze die bisherigen Einblicke.

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Wie wichtig sind Luxus-Dienstleistungen für Sie?

Text: Corinna Kielwein

Foto & Video: Janine Kloesges, Frieda Berg

Website Gestaltung: Corinna Kielwein


Antiken Erdbeben auf der Spur

Erdbebensturm in der Bronzezeit? – Keine Spur!

Ging die mykenische Kultur durch ein Mega-Erdbeben unter? Die aktuellen Forschungen des Kölner Geophysikers Klaus-Günter Hinzen liefern neue Erkenntnisse zu einem alten Rätsel der Archäologie.

Ein Stoß – die Erde bebt im bronzezeitlichen Tiryns am argolischen Golf. Die zyklopischen Mauern des Palastes wanken. Eine Gruppe von Terracottafiguren auf einer Steinbank hüpft, sie taumelt wie Bowling-Kegel, die getroffen wurden. Einige der Figuren bewegen sich auf den Rand des Tisches zu, fallen auf den Boden und zerspringen. – Stopp. Das gleiche Bild: Die Terracottafiguren wackeln, hüpfen und fallen. Doch diesmal bewegen sie sich ein bisschen anders, sie fallen anders. Stopp. Klaus-Günter Hinzen spult mit der Fernbedienung die Simulation eines Erdbebens auf dem großen Bildschirm in der Erdbebenwarte Bensberg ab.

Was passiert mit einer Gruppe von antiken Figuren, wenn Erdbeben verschiedener Stärke auf sie einwirken? Viele tausend Mal haben der Kölner Geophysiker und sein Team die Figuren taumeln lassen, viele tausende von Daten mussten sie in das Computermodell eingeben. „Man hat in den 70er Jahren in einem Raum des mykenischen Palastes im griechischen Tiryns Terracottafiguren und –vasen gefunden, die zerbrochen auf dem Boden lagen“, erklärt der Kölner Seismologe, während er die Simulation erneut abspielt. „Die alte These war, dass diese Artefakte durch ein Erdbeben von einer steinernen Bank heruntergefallen seien.“ Hinzen schüttelt den Kopf: „Nach unseren Simulationen ist das sehr unwahrscheinlich.“ Die Figuren wurden zu weit entfernt vom Tisch gefunden, ihr Muster auf dem Boden stimmt nicht mit denen in der Simulation überein.

Antiken Erdbeben auf der Spur

Simulation stopp- Beginn Wirklichkeit: Hinzen ist der Leiter der Erdbebenwarte in Bensberg bei Köln. Dort überwachen er und seine Assistenten die Aktivität des rheinischen Untergrunds. Wann immer es zwischen Eifel und Ruhrgebiet in der Erdkruste rumpelt, haben seine Leute das Ohr am Geschehen: Ort, Tiefe, Stärke. Dafür haben die Wissenschaftler Messgeräte über das ganze Rheinland verteilt: in den Türmen des Kölner Doms genauso wie in der Eifel. Doch neben dieser Überwachungsarbeit übernehmen die Seismologen auch Forschungsaufträge in aller Welt als Archäo-Seismologen, so nennen sich Erdbebenforscher, die die Einwirkungen von Beben auf menschliche Bauten vor vielen Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden studieren. Dabei analysieren sie die Folgen der Beben: Verwerfungen der Erdschichten oder Zerstörungsmuster der Mauern. Die sind nämlich typisch für Erdbeben. So kamen Hinzen und sein Team an einen Forschungsauftrag und auf die Peloponnes.

Mithilfe von Simulationen überprüfen die Archäoseismologen eine alte Theorie.

Wo einst Perseus herrschte

Wo heute deutsche Pauschaltouristen zum Urlaub hinfliegen, lag einst die erste Hochkultur auf griechischem Boden. Auf der ganzen Peloponnes finden Archäologen die Ruinen der sogenannten mykenischen Kultur: Korinth, Tiryns, Midea und eben Mykene. Zyklopen sollen der griechischen Sage zufolge die wuchtigen Mauern des Palastes von Tiryns errichtet haben, der griechische Sagenheld Perseus herrschte hier mit seiner Gattin Andromeda, nachdem er sie vom Meeresungeheuer Ketos mit Hilfe einer Wunderwaffe errettet hatte: Das Haupt der Gorgone Medusa, das jeden, der es anschaut, in Stein verwandelt. Doch die Wirklichkeit ist nicht weniger fantastisch: Von mächtigen Palästen aus herrschten hier Fürsten über Städte und Länder, sie führten Kriege, leiteten eine ausgedehnte Verwaltung und pflegten die Schriftkultur. Vom 16. Jahrhundert vor Christus bis zum 12. Jahrhundert blühten die Fürstentümer der mykenischen Kultur, sie trieben Handel mit allen Mächten des Mittelmeerraumes und des Orients: Die Hethiter in Anatolien kannten die Griechen als Achijawa (Achäer), selbst die ägyptischen Pharaonen wussten von den Städten und Palästen jenseits des Meeres.

Völkersturm oder Erdbebensturm?

Doch dann war plötzlich Schluss. Um 1190 vor Christus bricht die Kultur zusammen. Die Paläste werden verlassen, es lassen sich Zerstörungen nachweisen. Etwa ein Jahrhundert noch finden sich Belege für eine Nutzung der Städte auf niedrigerem kulturellen Niveau. Dann findet auch dieses Nachglühen einer Hochkultur sein Ende. Was führte zum plötzlichen Abbruch der mykenischen Kultur? Waren es die eindringenden Stämme dorischer Griechen, die später Sparta gründeten? Waren es wirtschaftliche Probleme, die den Kreislauf des Metallhandels unterbrachen? Oder zerstörten eine Reihe von Erdbeben die blühende Kultur und löschten sie aus?

In der Ägäis stoßen die afrikanische und die eurasiatische Kontinentalplatte aneinander. Erdbeben sind in Griechenland nicht selten. Desaströse Erdbeben und Tsunamis sind aus historische Zeit in Griechenland bezeugt: Im Jahre 426 v. Christus bebte die Erde in Euböa und zerstörte die Stadt Orobiai, 373 v. Chr, ging die Stadt Helike am Golf von Korinth durch Erdbeben und Tsunami unter. Eine zuerst also nicht unplausible Theorie. Viele Archäologen erwogen deswegen ein Mega-Erdbeben oder einen „Erdbebensturm“ am Ende der Bronzezeit an, die die Paläste zerstörten.

Professor Klaus-Günter Hinzen erklärt, wie in Tiryns gemessen wurde.
Warum wurde Tiryns jetzt von Archäoseismologen vermessen?
Der Seismologe erklärt, wie die Wissenschaftler vorgegangen sind.

Untergang: ja – aber nicht durch Erdbeben

Nach seinen Untersuchungen sieht Hinzen das kritisch: „Für diese Hypothese konnten wir in den mykenischen Städten Tiryns und Midea keine Belege finden“, erklärt der Geophysiker zusammen mit dem Archäologen Professor Dr. Joseph Maran von der Universität Heidelberg. Seit 2012 haben die Kölner Archäoseismologen die mykenischen Zitadellen Tiryns und Midea im Rahmen des Projektes HERACLES (Hypothesis-Testing of Earthquake Ruined Argolid Constructions and Landscape with Engineering Seismology) untersucht.

Nun haben sie ihre Abschlussarbeit „Reassessing the Mycenaean Earthquake Hypothesis: Results of the HERACLES Project from Tiryns and Midea, Greece“ im Bulletin of the Seismological Society of America veröffentlicht. Das Projekt wurde von den Universitäten Köln und Heidelberg mit Unterstützung der griechischen Altertümerverwaltung durchgeführt und von der Gerda-Henkel-Stiftung und der Fritz-Thyssen-Stiftung jeweils zur Hälfte gefördert. Hinzen untersuchte mit seinem Team die mykenischen Zitadellen von Tiryns und Midea in der Argolis, im Nordosten der Peloponnes, wo auch Mykene liegt. Joseph Maran arbeitet seit Jahrzehnten an den Ausgrabungen in Tiryns und anderen mykenischen Städten. Für ihn war es wichtig, Klarheit über die faktische Beweislage zu bekommen.

Daten sammeln, Erdbeben simulieren

In den Jahren 2012 bis 2013 untersuchte das Team die lokale Geologie der Orte, ihre Lage in den Erdbebenzonen Griechenlands und die vermeintlichen Erdbebenschäden in den Grabungen vor Ort. Sie sammelten Daten und modellierten, wie sich Erdbeben in Tiryns und Midea ausgewirkt hätten. Die Forscher setzten eine Reihe von geophysikalischen Messverfahren ein: aktive und passive Seismik, refraktionsseismische Messungen und Array-Messungen mit Seismometern. Ein dreiviertel Jahr lang wurden zehn Messstationen betrieben, die kleinere Erdbeben registrierten, die es in Griechenland immer wieder gibt. Hinzu kamen gravimetrische Messungen des Erdschwerefeldes. Mit den gewonnenen Daten berechneten sie die Standorteffekte während eines Erdbebens.

„Das war die Grundlage, um zu prüfen, ob es in Tiryns oder Midea ungewöhnliche Bodenverstärkungen bei Erdbeben gibt“, so Hinzen. Die Zitadellen von Tiryns und Midea sind beide auf Bergrücken errichtet worden. Die Oberstadt von Tiryns steht auf einem Kalkgesteinsrücken, die umgebende Unterstadt hingegen auf lockeren Sedimenten. „Die Standorteffekte bei Erdbeben sind auf den Sedimenten sehr viel stärker. Bei einem Erdbeben würde man erwarten, dass als erstes die Unterstadt leidet und nicht der Palast.“ Gerade in der Unterstadt ist aber kein Schaden nachgewiesen. Alles, was bisher als Erdbebenschaden angesehen wurde, lag im Palastbereich. „Wir haben festgestellt, dass ein Großteil dieser beschriebenen Schäden im Palastbereich nicht als Erdbebenschaden interpretiert werden kann.“

Hinzen erklärt, warum er ein Erdbeben für unwahrscheinlich hält.

Verfall, Aufstand oder Eroberung?

Zum Teil handelte es sich stattdessen um langsamen Verfall im Laufe der Jahrhunderte oder um Fehlinterpretationen von Befunden. Hinzen und sein Team schauten sich die Verteilung der Bruchstücke so wie sie gefunden wurden an. „Wir konnten durch mehrere tausend Modellrechnungen in einer Computersimulation zeigen, dass ein Erdbeben hier als Ursache kaum in Frage kommt.“ Zum Beispiel bei den Terracottafiguren aus einem Raum in Tiryns.

Auch die grundsätzliche Erdbebengefahr in der östlichen Peloponnes betrachteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen anhand von Simulationen. „An sich ist diese Gegend für griechische Verhältnisse relativ ruhig. Wenn überhaupt, so kämen für ausgedehnte Zerstörungen in Tiryns nur lokale Erdbebenherde in der Argolis in Frage. Für solche Beben gibt es aber bisher keine Nachweise“, erklärt der Kölner Archäoseismologe. Der Ball ist nun wieder in der Spielhälfte der Archäologen. Eindeutig belegen lässt sich nur, dass der Untergang der mykenischen Hochkultur kein singuläres Ereignis war. Gleichzeitig mit dem Fall Mykenes geht das Hethitische Großreich in Kleinasien unter, Städte in der Levante werden zerstört und die Herrscher Ägyptens müssen sich des Einfalls der „Seevölker“ erwehren. Ob diese Invasoren auch etwas mit dem Untergang von Tiryns zu tun haben, muss nun geklärt werden. Die Erdbebenhypothese scheidet nun aus: „Die neuen Ergebnisse lassen bezweifeln, dass Tiryns und Midea Opfer eines „Erdbebensturms“ am Ende der Bronzezeit wurden, wie ihn einige Wissenschaftler postulieren“, resümiert Hinzen.


Text: Robert Hahn


Bild/Video: Prof. Hinzen & Janine Kloesges


Website Gestaltung: Robert Hahn


Neandertaler

Kunst galt bisher als Domäne des Homo Sapiens – nicht des Neandertalers. Die Forschung ging lange davon aus, dass nur der moderne Mensch in der Lage war, sich in abstrakten Symbolen auszudrücken. Höhlenmalereien der Neandertaler in Andalusien erzählen nun eine andere Geschichte.

Das eigentlich Spektakuläre der Höhle „Cueva Ardales“ im andalusischen Süden Spaniens ist unscheinbar und entgeht dem ersten Blick. Hier und da sind an den Wänden ein paar Farbtupfer zu sehen. Es sind Finger- und Handabdrücke, mit roter Farbe auf die Wand aufgetragen. Diese Tupfer sind es, die ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Beteiligung des Sonderforschungsbereichs 806 „Our Way to Europe“ der Uni zu Köln untersucht hat.

Die Ergebnisse sind eine wissenschaftliche Sensation und werfen ein ganz neues Licht auf Menschheitsgeschichte, denn die Spuren stammen offenbar von Neandertalern. Ergeben haben das archäologische Ausgrabungen und modernste Datierungsmethoden. Professor Dr. Gerd-Christian Weniger, der für den SFB 806 die archäologische Ausgrabung leitet, ist sich sicher: „Mit den Datierungen und den archäologischen Funden schlagen wir ein völlig neues Kapitel in der Erforschung der eiszeitlichen Höhlenkunst auf.“

Um einen rundum Eindruck der Höhle und der Atmosphäre während der Ausgrabungen zu gewinnen, wurde ein 360°-Video aufgenommen. Mit der Navigation im oberen linken Feld des Videos können Sie sich in der Höhle umsehen, als würden Sie selber darin stehen. Nach links, nach rechts, nach oben und unten. Alternativ können Sie mit der Maus die gewünschte Richtung ansteuern. Und nun steigen wir die steile, glitschige Treppe hinab in die Cueva Ardales:

Der Neandertaler war gar nicht so dumm

Das Bild vom Neandertaler als tumbem, keulenschwingenden Gesellen ist so nicht mehr zu halten. Die Fähigkeit, sich die Welt symbolisch vorzustellen und auf einer abstrakten Ebene zu kommunizieren, legt nahe, dass der Neandertaler alles andere als dumm war. Im Gegenteil: offenbar war er dem Homo Sapiens intellektuell sogar ebenbürtig.

Bisher galt, dass nur anatomisch moderne Menschen in der Lage gewesen sind, Kunst herzustellen. Das macht diesen Befund so besonders. „Alles, was mit künstlerischem Ausdruck verbunden ist – symbolisches und abstraktes Denken – wurde ausschließlich dem Homo Sapiens zugeschrieben“, sagt Weniger. „Tatsächlich müssen wir aber davon ausgehen, dass auch Neandertaler entsprechende intellektuelle Fähigkeiten hatten.“

Unser Weg nach Europa – Zeitstrahl

Vor ungefähr 200.000 Jahren entwickelte sich der Neandertaler in Europa bis er dann vor ca. 39.000 Jahre verschwand. Der Zeitstrahl bietet einen Überblick über wichtige Ereignisse aus der Zeit der Neandertaler. Sie können die Ereignisse auf dem Zeitstrahl anklicken und sich mit der Maus durch viele Jahrtausende navigieren. Alternativ können Sie die Pfeile in der Bildebene anklicken. Wir beginnen die Zeitreise vor 200.000 Jahren:

Beginn der Höhlenkunst

Es sind einfache Malereien, die die Wände in Ardales zieren. Große Flecken, Streifen und kleine Punkte. Zum Teil sind zwei oder drei Fingerspitzen nebeneinander abgebildet. Alle Darstellungen sind in rot gehalten, da die Zeichen mit Ocker direkt mit der Hand auf die Wand aufgebracht wurden. „Es wurden keine besonderen Pinsel oder Werkzeuge benutzt. Zudem sind klare Strukturen zu erkennen. Das ist nichts Zufälliges“, so Weniger.

Höhlenmalerei Neandertaler - Cueva Ardales

Die recht einfache Machart der Zeichen lässt darauf schließen, dass sie so etwas wie den Beginn der Höhlenkunst darstellen. Spannend ist, dass man in der Cueva Ardales auch ihre weitere Evolution beobachten kann. In versteckteren Abschnitten, noch weiter im Höhleninneren, gibt es bildliche Darstellungen, etwa von Huftieren und Fischen. Allerdings sind diese Bilder einige Jahrtausende jünger als die einfachen Finger- und Handabdrücke, die derzeit für Aufsehen sorgen. Die andalusische Höhle ist also auch ein beeindruckendes Zeugnis der menschlichen Entwicklung und Siedlungsgeschichte.

Höhlenmalerei Homo Sapiens - Cueva Ardales

Neue Datierungsmethode

Modernste technische Methoden bieten der Wissenschaft heute neue Möglichkeiten. Mit Hilfe der Uran-Thorium-Methode können Karbonatkrusten auf den Farbpigmenten datiert werden. Durch Messung der Ausgangs- und Zerfallsisotope können die Forscherinnen und Forscher das Alter der Kalkbildung bestimmen. Dies ist eine sehr genaue Datierungstechnik, die Kalkablagerungen bis zu einem Maximalalter von etwa 500.000 Jahren bestimmen kann. So reicht sie erheblich weiter zurück als die ansonsten gängige Radiokarbonmethode. In der Cueva Ardales ermittelte das Team nun jeweils ein Alter von über 60.000 Jahren für Darstellungen der Wandkunst. Die ersten anatomisch modernen Menschen erreichten Südwesteuropa aber erst vor 40.000 Jahren.

Das Team um Weniger stützt mit ihren Ausgrabungen den Befund der Datierung: Die Archäologen belegten durch Bodenfunde die Anwesenheit von Neandertalern zur der Zeit, in der die Wandkunst entstanden sein muss. Sie bargen eiszeitliche Werkzeuge wie bearbeitete Knochen und Steinklingen sowie ein komplett erhaltenes Stück Ocker in der Größe eines Spielwürfels, mit dem wahrscheinlich gemalt wurde. Alle Funde stammen aus Erdschichten, die mindestens 50.000 Jahre alt sind und damit weit vor der Ankunft des Homo Sapiens liegen.

Zudem kommt Ocker in der Höhle nicht vor, er muss also gezielt hineingebracht worden sein. „Dabei ist auch interessant, dass wir keine Siedlungsspuren gefunden haben,“ sagt Weniger. „Die Cueva Ardales wurde sicher nicht als Wohnhöhle genutzt, an der man sich mehrere Tage an einem Lagerfeuer aufgehalten hat.“ Die Malereien sind also keine Zufallsprodukte. Vielmehr kamen unsere Vorfahren ganz gezielt in diese Höhle, um ihre Kunst an den Wänden aufzutragen.

Insgesamt gibt es in der Cueva Ardales an rund vierzig Stellen eiszeitliche Höhlenmalereien. Erstmals wurde die Kunst 1822 entdeckt. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts dokumentierte der französische Archäologe Henri Breuil – in der Wissenschaft so etwas wie der Papst der Höhlenforschung – die Malereien.


Text: Jan Voelkel


Bild/Video: Jan Voelkel & Jens Alvermann


Website Gestaltung: Corinna Kielwein


Animation: Janine Kloesges


Atacama

Die Atacama erstreckt sich vom Norden Chiles über den Süden Perus und ist neben den Polarregionen die weltweit trockenste Wüste. Es gibt Gebiete, in denen jahrzehntelang kein Tropfen Regen fällt. Im chilenischen Teil der Atacama erforscht der Sonderforschungsbereich 1211 „Earth – Evolution at the Dry Limit“ die wechselseitigen Beziehungen zwischen Landschaftsentwicklung und der Evolution des Lebens.

Geomorphologische Prozesse, also Veränderungen der Erdoberfläche, ebenso wie die biologische Evolution werden entscheidend durch die Verfügbarkeit und Abwesenheit von Wasser beeinflusst. Der Fokus der Forscher und Forscherinnen liegt daher auf diesen extrem trockenen, sogenannten ariden und hyperariden Gebieten. Im Oktober des letzten Jahres machten sich einige von ihnen auf nach Chile.

Die Geographen

Kurz bevor die Mittagssonne an diesem Oktobertag im Zenit steht, beginnt es in der Atacama-Wüste plötzlich zu regnen. Das ist an diesem staubtrockenen Ort an sich schon ein außergewöhnlicher Vorgang. Noch bemerkenswerter wird es, wenn man die ganze Szenerie aus der Ferne betrachtet. Denn es regnet nur sehr lokal. Genau genommen plätschern die Tropfen lediglich auf eine Fläche von etwa 10 Quadratmetern und das auch noch unter einem Zeltdach, das aussieht, als hätte jemand mitten der Wüste einen Bierpavillon aufgestellt. Der Regen ist das Werk von vier Kölner Forschern und Forscherinnen.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erforschen, wie sich Landschaften entwickeln, wie bestimmte Formen in der Landschaft entstehen. „Wir untersuchen also die Zusammenhänge von Klima und Landschaftsentwicklung“ erläutert Dr. Simon Matthias May. “Außerdem ist die Atacama aufgrund des über Jahrmillionen anhaltenden Wassermangels dem Mars nicht unähnlich. Vielleicht kann die Forschung also auch helfen, Oberflächenprozesse sowohl auf unserem als auch auf anderen Planeten besser zu verstehen.“

Damit die Forscher es in der Wüste regnen lassen können, beginnt der Arbeitstag für das Team in aller Früh mit den ersten Sonnenstrahlen. Eine leichte Anspannung liegt in der Luft, denn es bleibt nicht viel Zeit. Nur drei oder vier Stunden ist es windstill genug, um aufbauen und beregnen zu können. Immer wieder laufen die drei Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin einen etwa 300 Meter langen, schmalen Trampelpfad entlang und schleppen Ausrüstung vom Camp zu der Fläche, die beregnet werden soll.

„Wir haben diesen Hang wegen seiner interessanten Form ausgewählt. Er erinnert an Formen, die man mit Durchfeuchtung von oberflächennahen Schichten verbindet. Da können Rutschungen, Schrumpfungs- und Quellungsprozesse, Volumenänderungen von Gips- oder Salzkomponenten im Boden eine Rolle spielen“ erläutert May die Standortwahl. “Daher erschien uns dieser Ort für die Beregnung gut geeignet, um zu sehen, wie der Hang reagiert und wir dann vielleicht erklären können, wie so eine Hangform überhaupt entsteht.“

Kurz vor Mittag ist es dann soweit und das Team kann die Ventile aufdrehen. Dann regnet es tatsächlich für einige Minuten in der Atacama. Die Tropfen verteilen sich wie ein Sprühregen über der abgesteckten Fläche. „Naturnahen Niederschlag zu simulieren ist eine Wissenschaft für sich. Wir müssen etwa auf die Tröpfchengröße und die Verteilung am Boden achten. Da sind wir schon im sehr naturnahen Bereich“ erklärt May. Nach wenigen Minuten ist der Tank annähernd leer und die Wissenschaftler zufrieden. Es hat alles geklappt. Gerade rechtzeitig bevor der Wind aufzieht.

Die Biologen

Dr. Federico Luebert, Felix Merklinger und Tim Böhnert sind auf der Suche nach Pflanzenproben. Pflanzen in der trockensten Wüste zu sammeln, klingt zunächst nach einem wenig Erfolg versprechenden Unterfangen. Dennoch sind sich die Wissenschaftler sicher, dass sie fündig werden. Denn sie haben einen 170 Jahre alten Reisebericht im Gepäck.

In den 1850er Jahren bereiste und erkundete Rudolph Amandus Philippi im Auftrag der chilenischen Regierung als einer der ersten Botaniker die Region. Heute ist Philippis Bericht aber weit mehr als bloße Reiselektüre. „Im Prinzip bewegen wir uns gerade auf denselben Pfaden, wie die Botaniker im 19. Jahrhundert“, sagt Böhnert. „Unsere ganze Reiseroute ergibt sich aus den alten Berichten. Ich fahre zu genau denselben Orten. Damit stelle ich sicher, dass ich genau die Typusart finde, die ich suche und die auch vor über hundert Jahren schon dort gewachsen ist.“

„Auch wenn wir wissen, wo sich Populationen befinden, bleibt die Suche ein Glücksspiel. Es hängt natürlich auch immer davon ab, wie trocken es gerade ist, oder ob Niederschlag gefallen ist. 2017 war eigentlich ein besonders gutes Jahr“ sagt Felix Merklinger. „Wir haben Pflanzen gefunden, die wahrscheinlich seit der Erstaufsammlung vor rund 100 Jahren nie wiedergefunden wurden. Cristaria leucantha wurde in den 1920er Jahren und seitdem nicht mehr gefunden und beschrieben. Wir konnten sie jetzt erneut finden. Aber manchmal kommen wir halt an einen Standort und die Pflanzen sind vertrocknet.“

Also weiter! Je höher es dann geht, desto mehr Kakteen wachsen an den Hängen. Schließlich auch einige Exemplare, die für die Wissenschaftler zu gebrauchen sind. Sie erforschen die Verwandtschaftsbeziehungen verschiedener Pflanzenarten anhand von Genanalysen. So können sie ermitteln, wie Pflanzen neue Arten bilden. Hierfür benötigen sie frisches Pflanzenmaterial.

Die Forschung der Botaniker ist dabei wie ein Puzzlespiel der Zeiten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verweben sich auf verschiedenen Ebenen. Die modernen Genanalysen werden mit uralten Fossilien in Beziehung gesetzt, die man datieren kann, weil sie in einer bestimmten Erdschicht gefunden wurden. Auch Daten zum Paläoklima, der erdgeschichtlichen Klimaentwicklung, beziehen die Forscher ein. Aus den verschiedenen Informationen lässt sich ein Stammbaum der Pflanzen erstellen und nachvollziehen, wann und unter welchen Bedingungen sich Arten gebildet und entwickelt haben.

„Wenn wir in unserer Geschichte zurückgehen“, erklärt Merklinger, „können wir auch Erkenntnisse für unsere Zukunft, etwa in Bezug auf den Klimawandel gewinnen. Uns interessiert ja grundsätzlich, wie Pflanzen auf Veränderungen reagieren.“ Nachdem die Biologen genügend Kakteenproben gesammelt haben, geht es an den Abstieg ins Tal. Zurück am Auto werden die Proben direkt vor Ort, noch auf der Ladefläche der Geländewagen bearbeitet, in einer Presse getrocknet und dadurch konserviert.

Wüste bei Nacht

Jan Voelkel war mit den Forschern in der Atacama und berichtet hier von seinen persönlichen Eindrücken.

Ich solle trinken, trinken, trinken und mich ja nicht zu weit vom Auto entfernen, damit ich nicht elendig verdörre. So ungefähr hat es mir mein Reisepartner während der Fahrt vom Flughafen zu unserer ersten Station in der Wüste eingebläut.

Dass mit den Temperaturen nicht zu spaßen sein würde, war mir also schnell klar. Tatsächlich wurden wir während unserer Reise durch die Atacama allerdings überrascht. Um die Mittagszeit zog nämlich teilweise ein so starker Wind auf, dass das Wetter umschlug und es trotz strahlend blauem Himmel bitterkalt war. Einer der Wissenschaftler war darauf offenbar besser vorbereitet und hatte eine dicke Daunenjacke dabei. Mein Reisekollege und ich mussten also nachrüsten, zumal wir noch in der Wüste zelten wollten.

Wir besorgten uns also lange Feinrippunterhosen, die Abhilfe schaffen sollten. Ästhetisch mag dies zweifelhaft gewesen sein, allerdings konnte ich so der nächtlichen Kälte trotzen und den spektakulären Sternenhimmel über unserem Zeltlager fotografieren. Natürlich ist die Atacama ziemlich karg, aber dennoch beeindruckend schön und einzigartig. Überraschend war für mich neben den zeitweise frischen Temperaturen vor allem die landschaftliche Vielfalt.

Ich hatte vor Reiseantritt eher mit Sanddünen wie in der Sahara gerechnet. In der Atacama wechseln sich aber sandige Ebenen, steinige Hügel und tiefe Schluchten ab. Mal knirscht der Sand zwischen den Zähnen, wenig später wähnt man sich am Grand Canyon. Als Souvenir habe ich mir ein kleines Stückchen Atacamit mitgebracht. Dieses Mineral ist, wie der Name vermuten lässt, typisch für die Atacama und zeigt, dass auch in dieser kargen Landschaft mitunter unerwartete Schönheit schlummert.


Text: Jan Voelkel


Bild/Video: Jan Voelkel & Janine Kloesges


Website Gestaltung: Corinna Kielwein


MINTegration

Der Titel des Projektes „MINTegration“ ist Programm: Es geht um die Integration jugendlicher Flüchtlinge verknüpft mit der Nachwuchsförderung in den MINT-Fächern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Uni Köln wollen für die Gruppe der jugendlichen Flüchtlinge geeignetes Lehrmaterial für den MINT-Unterricht entwickeln und dieses gemeinsam mit ihnen erproben.

Es gibt in Deutschland zu wenig junge Leute, die die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) studieren. Die Absolventinnen und Absolventen dieser Fächer werden auf dem Arbeitsmarkt händeringend gesucht. Das Projekt MINTegration setzt bei der Förderung der MINT-Fächer in den Schulen an. Die  im Projekt entwickelten Lehrmaterialien werden dann zum einen Lehrerinnen und Lehrern und Schulen zur Verfügung gestellt und zum anderen in den Schülerlaboren der Uni Köln regelmäßig zum Einsatz kommen. Die Schülerinnen und Schüler der Pilot-Schule gehen in die Vorbereitungsklassen des Schiller-Gymnasiums in Weyertal und sind zwischen 13 und 17 Jahre alt. Sie kommen aus Syrien, Irak, Somalia, Afghanistan.

Elias, 12-jähriger Schüler aus Syrien, pipettiert neugierig und erklärt ganz selbstverständlich: „Chemie war schon in Syrien mein Lieblingsfach. Jetzt muss ich zwar alles auf Deutsch machen, aber die Regeln der Chemie sind ja überall die gleichen.“

„Heute sind die Studenten unsere Lehrer für Biologie und Chemie. Ich bin gespannt, was wir machen werden. Ich hoffe, dass ich alles verstehen kann“, sagt Manar, 16-jähriges Mädchen aus dem Irak vorsichtig. Sie macht sich Sorgen, ob ihre Deutschkenntnisse ausreichen, um den Anweisungen der Studentinnen und Studenten zu folgen.

Den Projekttag ‚“Beeren“ hat Victoria Hollmann (Uni Köln und Mercator-Institut) gemeinsam mit den Studenten des Masterstudiengangs „Sonderpädagogik“ entwickelt. Sie achtet dabei besonders auf die sprachlichen Voraussetzungen der Flüchtlingskinder und -jugendlichen: „Je besser wir den Bogen von den biologischen Grundlagen zum Alltag der Schüler schlagen können, umso leichter ist es die Schüler zu motivieren und für biologische Themen zu begeistern. Durch das gemeinsame Erleben können sprachliche und fachliche Kompetenzen leichter erworben werden. So lassen sich Naturwissenschaften und Integration ideal miteinander verbinden.“

Ahmed, 13 Jahre als aus dem Irak, probiert das erste Mal Johannisbeeren. Und, wie schmeckt´s? „Sauer“, sagt er. „Aber auch süß. Ein bisschen wie Tomaten“. Das Geschmackserlebnis bringt Ahmed danach zu Papier. Konzentriert schreibt er die Wörter auf. Nele Knigge, eine Masterstudentin, die im Projekt mitarbeitet, hilft ihm, wenn er bei der Rechtschreibung zögert.

Zum Thema „Vitamin C“ geht der Masterstudent Mirko Trenz mit den Jugendlichen in den Modularen Modellgarten der Uni Köln, auch MoMo genannt (http://modellgarten-momo.uni-koeln.de/)

Die Kinder haben gelernt, den Vitamin C-Gehalt von Lebensmitteln zu bestimmen. Jana vergleicht hier den Teststreifen mit der Farbskala. Jana ist 11 Jahre alt und kam vor 2 Jahren mit ihren Eltern aus Syrien.

Mit Blaubeeren lassen sich vorzügliche Blaubeer-Muffins backen. Auch dabei lernen die Kinder Abläufe, Abmessen von Zutaten und neue Wörter. „Das Backen hat viel Spaß gemacht. Jetzt können wir auch zu Hause mal backen“, sind sich alle Schülerinnen und Schüler einig.

Jana und ihre Klassenkameraden Hussein (11) und Julian (12), beide aus dem Irak, essen experimentierfreudig jeder ein Stück Zitrone. Die Bildereihe bestätigt: Sauer macht lustig.

„Ich bin überrascht, wie gut ich mich mit den Schülern verständigen kann“, beschreibt Studentin Lena Schmidt, die im Rahmen einer Masterveranstaltung die Unterrichtsstunden mit ihren Kommilitonen/innen geplant hat, ihre Erfahrung. „Bei den Fachbegriffen sind sie zwar anfänglich noch gestolpert, aber dann hat auch das geklappt. Selbst die sprachliche Zusammenfassung war kein Problem. Unsere Vokabelliste war dabei auch sehr hilfreich.“

„Drei von sechszehn Schülerinnen und Schülern in der Klasse haben sich für ein naturwissenschaftliches Praktikum entschieden, z.B. in einer Apotheke. Das liegt über dem Durchschnitt und hängt aus meiner Sicht mit dem Projekt MINTegration zusammen“, sagt Marion Berkenhoff, Klassenlehrerin einer Vorbereitungsklasse am Schiller Gymnasium in Köln.

„Die jugendlichen Flüchtlinge in den Vorbereitungsklassen benötigen anderes Lehrmaterial und andere Ansprache“, erklärt Frau Schulz-Krause, Rektorin der Pilotschule Schiller-Gymnasiums den Bedarf auf der Seite von Schule und Lehrer/innen. Marion Berkenhoff ergänzt: „Für uns Lehrer in den Vorbereitungsklassen ist es leider noch schwierig den Kontakt zu den Eltern aufzubauen. Das wäre sicher ein nächster wichtiger Schritt für die Integration unserer Schüler.“

Einsatz digitaler Medien

Der Einsatz digitaler Medien in Lehr-Lern-Szenarien ist Gegenstand aktueller didaktischer Forschung. Prof. Banerji beschreibt den Beitrag der digitalen Medien im Projekt MINTegration: „Wir haben im Projekt MINTegration die Versuchsanleitung digitalisiert und u.a. mit Videos hinterlegt, um die Sprachbarriere dieser Schüler im Umgang mit naturwissenschaftlichen Fächern weiter abzubauen. Wir können so unseren Studierenden einen praxisbezogenen Zugang zu digitalen Medien und ein Lernerlebnis mit sofortiger Anwendung bieten. Die gewonnenen Daten lassen sich sehr gut wissenschaftlich für die Evaluation der Lehrmethodik verwerten.“

Beispiele für Vokabeln

Beispiele für Anleitungen

Das Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) an der Universität zu Köln hat die Erfahrungen und Lehrmaterialien aus dem Pilotprojekt im Rahmen der Online-Plattform „digiLL_NRW“ bereits genutzt. Auf den diggiKurs können Lehramtsstudierende und Lehrkräfte zugreifen und sich online weiterbilden.


Text: Corinna Kielwein


Bild/Video: Corinna Kielwein & Janine Kloesges


Website Gestaltung: Corinna Kielwein