Mozarts Requiem – neu vervollständigt
Das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) ist eines der meistaufgeführten Werke klassischer Musik überhaupt. Bei seiner Aufführung ist allerdings in den meisten Fällen gar nicht das alleinige Werk Mozarts zu hören, denn er hinterließ es unvollendet. Inmitten der Komposition dieser Totenmesse ereilte ihn der eigene Tod. Das Musikstück, das wir heute kennen, komponierte damals Mozarts Werkstattgehilfe Franz Xaver Süßmayr zu Ende. Immer, wenn groß »Mozart« auf dem Plakat und Programm zum Requiem steht, ist also gar nicht nur »Mozart drin«.
Der Komponist und Dirigent Michael Ostrzyga, Kölner Universitätsmusikdirektor und Leiter des Collegium musicum, hat nun einen neuen Ergänzungsversuch von Mozarts Requiem-Fragment vorgelegt.
Fakt und Fiktion: Die Geschichte des Requiems
Um Mozart – und besonders um das letzte Werk des musikalischen Genies – ranken sich allerlei Mythen und Legenden. Die Hollywood-Verfilmung »Amadeus« von Miloš Forman aus dem Jahr 1984 ist das wohl bekannteste Beispiel. Der Film verrührt altbekannte Narrative und ist voll von dramatischen Übertreibungen: Ein anonymer Auftraggeber sichert Mozart gute Bezahlung für die Komposition des Requiems zu. Von Krankheit geschwächt bittet er seinen neidischen Widersacher Antonio Salieri um Hilfe. Dieser plant jedoch im Geheimen, Mozart umzubringen und das Werk bei dessen Totenmesse dann als sein eigenes auszugeben. Mozart wird besessen davon, die Totenmesse für sich selbst noch zu Ende schreiben zu müssen – aber der Tod kommt ihm zuvor.
Derartige Fabulationen haben eine lange Geschichte. Forman hatte für seinen Film vom gleichnamigen Theaterstück Peter Shaffers abgekupfert. Der russische Komponist Nikolai Rimski-Korsakow hatte Salieri bereits 1898 in der Oper »Mozart und Salieri« als Antagonisten ins Spiel gebracht. Diese Oper wiederum basiert auf einem Versdrama des Dichters Alexander Puschkin von 1830. Beispiele wie diese zeigen die Faszination, die die Entstehungsgeschichte des Requiems im Laufe der Zeit auf kreative Köpfe ausübte.
Tatsächlich verbreiteten sich einige Legenden – wie die der mutmaßlichen Vergiftung – schon binnen weniger Wochen nach Mozarts Tod durch Zeitungsberichte in Europa. Im 19. Jahrhundert taucht ein Brief Mozarts auf, der tiefe Einblicke ins Seelenleben des Schöpfers beim Schreiben des Requiems zu geben scheint. Der Brief erwies sich jedoch als Fälschung. Das »Original« davon ist inzwischen selbst verschollen.
Als die Noten des Requiems von Mozart/Süßmayr 1800 erstmals publiziert wurden, geschah dies genaugenommen auch als Fälschung, denn sie wurden als alleiniges Werk Mozarts deklariert. Noch heute fällt der Name Süßmayr in stiller Übereinkunft eher unter den Tisch, wenn von Mozarts Requiem die Rede ist.
Inzwischen konnte die Quellenforschung sicher trennen, was von Mozart geschrieben worden ist und was nicht. Um »Echtheitsfragen« wird jedoch nach wie vor gestritten. Vor allem, wenn es darum geht, wie viel Mozart in den fremden Handschriften stecken könnte.
Es waren viele Fäden, die Michael Ostrzyga entwirren musste. Während seiner Arbeiten holte er sich daher auch Rat und Einschätzungen von verschiedenen Mozart-Forscher:innen rund um den Globus ein, etwa zur Interpretation und Datierung der Quellen, zu Liturgie und Skizzen Mozarts.
Über Mozarts Fragmente und Skizzen, über seine Schaffensweise und sein Vorgehen beim Verschriftlichen von Musik weiß wohl niemand besser Bescheid als der Musikwissenschaftler und Mozartexperte Professor Dr. Ulrich Konrad von der Universität Würzburg.
Die Entstehungsgeschichte Teil 1: Vor Mozarts Tod
Die Entstehungsgeschichte Teil 2: Nach Mozarts Tod
Handwerk und Muse
Michael Ostrzygas Neukomplettierung des Requiems sollte sich über mehr als vier Jahre hinziehen. Was bewog ihn dazu, sich dieser Mammutaufgabe anzunehmen?
Schon als Kind lernte Ostrzyga an der Orgel das Improvisieren und hantierte mit kompositorischen Bausteinen. Auch übte er sich schon im Schreiben von Musik – angelehnt an das, was er hörte. Seit Beginn seines Studiums des künstlerischen Tonsatzes an der Kölner Musikhochschule setzte er sich systematisch mit dem Nachschaffen von Musik auseinander.
Im Tonsatz-Studium durchforstete Ostrzyga Lehrschriften aus der jeweiligen Zeit und analysierte die Musik verschiedener Komponisten – darunter auch Mozart. Damals lernte er, Stil-Imitationen zu schreiben, also durch kreatives Nachschaffen unterschiedliche Tonsprachen genauer zu verstehen. So kann man, wie Ostrzyga sagt, auch auf die Fragen kommen, die verborgen bleiben können, wenn man lediglich betrachtet oder hört.
Bevor er loslegte, hatte er das Mozart-Requiem bereits mehrmals selbst aufgeführt. Dabei waren ihm in der von Süßmayr komplettierten Fassung einige kompositionstechnische Ungereimtheiten aufgefallen. Vieles war offenbar nicht so geraten, wie es der Meister selbst komponiert hätte. Das ist nicht verwunderlich, denn Süßmayr stand beim Ergänzen unter Zeitdruck – und er war nicht Mozart.
Für seine Ergänzung studierte Michael Ostrzyga die Forschungsliteratur, unternahm umfassende vergleichende Stil- und Quellen-Studien, beschäftigte sich mit Mozarts Schaffensprozess und wertete die historischen Hinzufügungen aus der Zeit unmittelbar nach Mozarts Tod aus. Doch er näherte sich seiner Aufgabe nicht rein akademisch an. Die Musik ist für ihn »so tief, dass man sie überhaupt nicht vermessen kann«. Daher war ihm nicht nur das Handwerkszeug wichtig, sondern auch etwas, das schwerer zu greifen ist: die »Seele« der Musik.
Mozarts Kunst – Eine Zeitkapsel
Musikalische Detektivarbeit – den richtigen Ton treffen
Michael Ostrzyga ist nicht der erste, der sich eine Überarbeitung des Requiems wagt. Bekannte Komponisten Richard Strauss und Benjamin Britten, die auch Dirigenten waren, hatten bereits Änderungen an Süßmayrs Ergänzung vorgenommen. Auch Franz Liszt hat Klavier-Transkriptionen zweier Requiem-Sätze geschrieben, wobei er eine Reihe von Tonhöhen änderte. Zwei heute unbekannte Komponisten hatten schon im frühen 19. Jahrhundert einen zusätzlichen Satz zum Requiem komponiert. Dieser Satz gehörte liturgisch nicht zum in der Kirche gesungen Requiem, sondern wurde erst im Anschluss am Grabe vorgetragen. Tatsächlich ist eine der Vertonungen eines solchen Libera me, jene von Ignaz Ritter von Seyfried , bei der Grablegung Beethovens gesungen worden, nachdem zuvor die Süßmayr-Ergänzung von Mozarts Requiem in der Kirche erklungen war.
Ausschnitt der letzten Seite des Requiems, möglicherweise der letzten Notenseite, die Mozart in seinem Leben beschriftet hat. Die rechte untere Ecke war in früherer Zeit noch vorhanden. Sie wurde wahrscheinlich 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel abgerissen und gestohlen.
Richtig zufrieden gegeben hatte sich die Musikwelt mit Süßmayrs Arbeit also nie. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich schon viele an der Aufgabe versucht, das Mozart-Requiem neu zu ergänzen – darunter Profis ebenso wie Amateure.
Ostrzyga kannte die bei Verlagen erschienenen Bearbeitungen und sah sich auch neuere Arbeiten genau an, bevor er seinen eigenen Versuch startete. Aber wäre ihm eine wirklich überzeugende Fassung untergekommen, hätte er vermutlich keine eigene Ergänzung erarbeitet. In den Begleittexten zu seiner Edition geht er genau auf Probleme früherer Fassungen aber auch stilistischer Einschätzungen im Forschungsdiskurs ein.
Mozarts Kunst – Musikalische Detektivarbeit
Den Ausführenden bleibt die Wahl
Michael Ostrzygas Requiem-Ergänzung wurde der Öffentlichkeit erstmals im Juli 2017 an der Harvard-Universität in den USA vorgestellt. Doch damit war seine Arbeit noch nicht abgeschlossen: Noch immer getrieben von Neugier – und auch noch nicht ganz überzeugt von seinen eigenen Ergebnissen – suchte er nach weiteren Hinweisen, hinterfragte seine Lösungen, verarbeitete Feedback und entwickelte seine Edition weiter.
Für wenige Sätze hat er schließlich zwei Varianten komponiert. Dirigent:innen können so zwischen Szenarien wählen, die sich gegenseitig aufgrund der Überlieferungslage nicht definitiv ausschließend lassen. Auch bei der Instrumentierung bietet er den Ausführenden für wenige Stellen aus seiner Sicht gleichermaßen naheliegende Optionen. Je nachdem, was ihrem Mozartbild entspricht, haben sie so einen gewissen Spielraum. »Das ist eine konsequente Folge der Geschichte dieser Musik, die aus der Feder eines einzigen Autors ja gar nicht existieren kann«, sagt Ostrzyga.
Im August 2019 präsentierten Chorwerk Ruhr und Concerto Köln unter Leitung von Florian Helgath Ostrzygas Vervollständigung beim renommierten Rheingau Musik Festival. Im Anschluss wurde sie auf CD eingespielt. Der Kölner Stadtanzeiger berichtete in einem großen Artikel. 2021 wurde diese CD als »Editorische Leistung des Jahres« für den Opus Klassik, einem bedeutenden deutschen Preis der Fach-Branche, nominiert. Im Juli 2022 erscheint die Notenausgabe beim traditionsreichen Musikverlag Bärenreiter mit umfangreichen Begleittexten.
Ostrzyga geht es, auch wenn er manche früher vorgestellte Lösung und Stileinschätzung kritisch hinterfragt, um einen konstruktiven Dialog. Er sieht seine Arbeit als Teil einer dynamischen Auseinandersetzung mit Mozarts Requiem, denn, wie er sagt, »was Mozart selbst geschrieben hätte, das werden wir nie wissen«.
Galerie
Bildnachweis: public domain via wikimedia commons (1) Unknown author, possibly by Pietro Antonio Lorenzoni (1721-1782) (2) School of Verona, attributed to Giambettino Cignaroli (Salo, Verona 1706-1770) (3) Johann Nepomuk della Croce (4) Barbara Krafft (5) Joseph Lange (6) International museum and library of music
Collegium musicum
Das Collegium musicum der Universität zu Köln gestaltet und repräsentiert unter der Leitung von Michael Ostrzyga das Musikleben der Universität zu Köln und bietet sowohl Studierenden und Angehörigen der Universität als auch externen Interessierten vielfältige Möglichkeiten, Musik zu erleben.
Die Ensembles umfassen vom großen Sinfonieorchester über kleine a cappella Besetzungen bis hin zu Jazzchor, Big Band und Kinderchor eine große Bandbreite. Das Programm reicht von den Bachschen Passionen bis hin zu Jazz-Standards, von Gesängen des Mittelalters bis zu Klängen des 21. Jahrhunderts, von der großen romantischen Sinfonie bis zum Liederabend.
Neue aktiv mitwirkende Musiker:innen in den Ensembles sind jederzeit ebenso willkommen wie neugierige Konzertbesucher:innen. Den aktuellen Bestimmungen gemäß ist eine Probenteilnahme im Moment nur vollständig geimpft oder genesen möglich (2G). Ein freiwilliger Selbsttest oder Bürgertest vor dem Probenbesuch wird dringend empfohlen.
Jedes Semester veranstaltet das Collegium musicum die UNIVERSITÄTSKONZERTE, eine abwechslungsreiche Konzertreihe, in deren Rahmen nicht nur die eigenen Ensembles auftreten, sondern auch eingeladene Künstler:innen und Ensembles als Gäste. Die Reihe wird zum Wintersemester 21/22 mit wenigen ausgewählten Terminen wieder starten. Ob die Konzerte wirklich mit Publikum stattfinden können, wird je nach aktueller Pandemie-Lage kurzfristig entschieden.
Im Sommersemester 2021 hat das Collegium musicum Stücke erarbeitet, die Eingang gefunden haben in ein online-Format zum Thema »Totentanz« (Videoclip), das am Totensonntag, 21. November 2021, Premiere hatte. Aktuelle Informationen über das Collegium musicum finden Sie hier .
Text:
Michael Ostrzyga,
Eva Schissler
Video:
Manoel Mahmd,
Adam Polczyk
Website Konzept, Technik, Gestaltung:
Anette Hartkopf
50 Jahre Mondlandung
Ein historischer Moment: Vor 50 Jahren, am 21. Juli 1969, betraten zum ersten Mal Menschen den Mond. „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit“, sagte der US-Astronaut Neil Armstrong als er den Mond betrat. Eine 110 Meter große Saturn V Rakete hatte das Team um Armstrong dorthin gebracht. Der gesamte Hinflug zum 384.403 Kilometer entfernten Mond dauerte etwa 76 Stunden.
Keine Frage, die Mondlandung war auch ein Spektakel der Raumfahrtingenieurskunst. Die Auswirkungen auf die Wissenschaft und Kultur sind heute noch zu spüren.
Die Universität zu Köln hat zu diesem Anlass Geschichten, Interviews, Podcasts und Videos zusammengestellt:
- Der Mond ist älter als bisher angenommen - Eine neue Studie des Instituts für Geologie und Mineralogie
- Kann man aus Mondstaub und Sonnenlicht ein Haus bauen? Es antwortet Prof. Matthias Sperl, Universität zu Köln
- Wieso gibt es Mondphasen? Ein Erklär-Video von Studierenden
- Podcasts zur Ringvorlesung "Mondspiegelung"
- Notfall im All - Raumfahrtmediziner Prof. Jochen Hinkelbein vom Universitätsklinikum Köln sagt, was man tun kann
- Kosmisches in der elektronischen Musik
- Wem gehört der Mond? Das erklärt Prof. Stephan Hobe, Weltraumrechtler der Universität zu Köln
- Ein Kölner Stück vom Mond
- „Auf dem Mond ist viel unerledigt geblieben.“ Interview mit dem Astronauten und KölnAlumnus Reinhold Ewald
- „Ohne Fernsehen hätte es die Mondfahrt nicht gegeben.“ Interview mit Stephan Packard und Tanja Weber
- Mond-Quiz - Testen Sie Ihr Wissen
Geologische Studie
Der Mond ist älter als bisher angenommen
Eine neue Studie unter der Federführung von Geowissenschaftlern der Universität zu Köln hat das Alter des Mondes auf circa 50 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems eingegrenzt. Unser Sonnensystem ist 4,56 Milliarden Jahre alt. Die neue Studie datiert somit das Alter des Mondes auf ca. 4,51 Milliarden Jahre.
Das bedeutet, dass der Mond sehr viel älter ist, als bisher angenommen. Bislang wurde sein Alter in der Forschung auf deutlich jünger als 4,5 Milliarden Jahre geschätzt.
Um diese Ergebnisse zu erzielen, analysierten die Wissenschaftler die chemische Zusammensetzung einer Vielzahl von Gesteinsproben, die auf unterschiedlichen Apollo-Missionen gesammelt wurden. Die Studie „Early Moon formation inferred from hafnium–tungsten systemics“ wurde in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlicht.
Am 21. Juli 1969 landeten Menschen erstmals auf einem anderen Himmelskörper. Die Besatzung der Apollo 11-Mission sammelte in ihren wenigen Stunden auf der Mondoberfläche 21,55 kg Gesteinsproben und brachte sie zur Erde zurück. Aus diesen Proben können Forscherinnen und Forscher auch 50 Jahre später noch neue Erkenntnisse über Schlüsselereignisse im frühen Sonnensystem und über die Entwicklung des Erd-Mond-Systems gewinnen. Die Entstehung des Mondes war das letzte große planetare Ereignis nach der Entstehung der Erde. Eine genaue Bestimmung des Alters des Mondes lässt daher auch Rückschlüsse darüber zu, wie und wann die Erde entstanden ist und wie sie sich zu Beginn des Sonnensystems entwickelte.
Die Geowissenschaftler haben in ihrer Studie die chemischen Signaturen unterschiedlicher Arten von Mondgestein untersucht, die während der verschiedenen Apollo-Missionen gesammelt wurden. „Ein Vergleich der relativen Mengen einzelner seltener Elemente im Gestein zeigt, wie die einzelnen Proben mit dem Mondinneren und der Verfestigung des einst flüssigen Magmaozeans auf seiner Oberfläche zusammenhängen“, sagt Dr. Raúl Fonseca von der Universität zu Köln. Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Felipe Leitzke simuliert er in Laborexperimenten Prozesse, die im Innern des Mondes ablaufen.
Der Mond entstand wahrscheinlich infolge einer gigantischen Kollision zwischen einem Himmelskörper von der Größe des Mars und der frühen Erde. Im Laufe der Zeit wuchs der Mond aus dem Material, das nach der Kollision in die Erdumlaufbahn geschleudert wurde. Der frühe Mond war von einem flüssigen Magmaozean bedeckt, der beim Abkühlen verschiedene Arten von Gesteinen bildete. „In diesen Gesteinen, die man heute noch auf der Mondoberfläche finden kann, sind Informationen über die Entstehung des Mondes archiviert“, sagt Dr. Maxwell Thiemens, Erstautor der Studie, der bis vor Kurzem noch an der Universität zu Köln geforscht hat. Koautor Dr. Peter Sprung fügt hinzu: „Solche Beobachtungen sind auf der Erde nicht mehr möglich, da unser Planet im Laufe der Zeit geologisch aktiv war. Der Mond bietet somit eine einzigartige Gelegenheit, die frühe Geschichte eines Himmelskörpers zu erforschen.“
Die Kölner Wissenschaftler zeigten anhand der Beziehung zwischen den seltenen Elementen Hafnium, Uran und Wolfram, wie das Basaltgestein der Mare (schwarze Tiefebenen auf der Mondoberfläche) durch Schmelzprozesse entstanden ist. Dank einer bisher unerreichten Messgenauigkeit stellten die Kölner Geowissenschaftler fest, dass diese Elemente in den verschiedenen Gesteinseinheiten in unterschiedlichen Verhältnissen auftreten. Damit können sie das Verhalten dieser seltenen Elemente bei der Entstehung des Mondes genauer charakterisieren.
Durch die Untersuchung von Hafnium und Wolfram auf dem Mond können Geologen eine radioaktive Uhr anwenden, bei der das radioaktive Isotop Hafnium-182 zu Wolfram-182 zerfallen ist. Dieser radioaktive Zerfall war nach den ersten 70 Millionen Jahren des Sonnensystems komplett abgeschlossen. Eine Kombination dieser Daten mit den Informationen aus Laborexperimenten zeigt nun, dass der Mond bereits 50 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems begonnen hat, sich zu verfestigen. „Diese Altersbestimmung zeigt, dass das große Kollisionsereignis vor dieser Zeit stattgefunden haben muss und beantwortet die in der Wissenschaft sehr umstrittene Frage nach dem genauen Zeitpunkt der Entstehung des Mondes“, sagt Professor Dr. Carsten Münker vom Institut für Geologie und Mineralogie der Universität zu Köln, Seniorautor der Studie.
Maxwell Thiemens resümiert: „Die ersten Schritte der Menschheit auf einem anderen Planeten vor 50 Jahren lieferten Proben, die uns den Zeitpunkt und die Entwicklung des Mondes sowie den Ursprung der Erde verstehen lassen. Da die Entstehung des Mondes das letzte planetarische Ereignis nach der Entstehung der Erde war, können wir anhand des Alters des Mondes auch das Mindestalter der Erde bestimmen.“
Kann man aus Mondstaub und Sonnenlicht ein Haus bauen?
Es antwortet Professor Dr. Matthias Sperl, Institut für Theoretische Physik
Diese Frage ist nicht etwa ferne Zukunftsmusik. Die Europäische Weltraumorganisation ESA kündigte schon 2016 an, eine dauerhafte Mondstation bauen zu wollen. Die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA sowie die amerikanische Weltraumbehörde NASA und die private Firma Space X des Tesla-Gründers Elon Musk tüfteln ebenfalls an entsprechenden Plänen.
Bei einem längeren Aufenthalt auf dem Mond müssten Menschen die Ressourcen vor Ort nutzen. Denn es ist einerseits teuer, Materialien von der Erde auf den Mond zu schaffen: mehrere 100.000 Euro pro Kilogramm. Andererseits muss die Versorgung vor Ort zuverlässig sein. Die Ideen für die Ressourcennutzung auf dem Mond sind beinahe endlos, allerdings ist für viele dieser Ideen eine gehörige Menge an Infrastruktur notwendig.
Wir und andere Forschungsteams haben bereits angefangen zu überprüfen, ob Mondstaub als Baumaterial verwendet werden kann. Tatsächlich ist es möglich, Mondstaub mit Sonnenlicht zu einem künstlichen Stein zu verbacken, der mechanische Eigenschaften zwischen denen von Gips und von Beton besitzt. Bauelemente aus so einem künstlichen Stein würden die großen Temperaturunterschiede von 300 Grad zwischen Tag und Nacht auf dem Mond besser überstehen als traditioneller Beton. Gleichzeitig würde dieses Material vor Strahlung schützen – eine wichtige Anforderung an Baumaterial auf dem Mond.
Ungeklärt ist noch, wie wir mit granularen Materialien unter reduzierter oder nicht vorhandener Schwerkraft umgehen können. Auf der Erde verfügen wir über jahrelange Erfahrung in der Handhabung von Granulaten. Doch wir verstehen ihr Fließverhalten bei weitem nicht so gut wie das Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen. Während der Weltraummission von Alexander Gerst fanden deshalb auf der internationalen Raumstation ISS Experimente statt, um diese Wissenslücken zu schließen und das Verhalten von Granulaten besser berechenbar zu machen – im Weltall und auf der Erde.
Video
Wieso gibt es Mondphasen?
Jedes Kind kennt den Anblick: Manchmal erscheint der Mond als großer Ball, manchmal als schmale Sichel, manchmal ist er gar nicht zu sehen. Doch wie erklärt man Kindern dieses Phänomen? Im Rahmen eines Medienpraktikums haben Bachelor- und Master-Studierende des Instituts für Physikdidaktik einen Film erstellt, der SchülerInnen einfach und anschaulich die verschiedenen Mondphasen erklären soll.
Podcasts
Mondspiegelung – Mediale Aneignungen des Erdtrabanten
Mit den ersten Schritten eines Menschen auf dem Mond entsteht ein Sinnbild für Fortschritt, technischen Triumph und Zukunftsverheißung. Doch 1969 verwandelt sich die Semantik des Monds nicht zum ersten Mal: Der Erdtrabant wurde in verschiedensten kulturellen und kommunikativen, künstlerischen, rhetorischen, metaphorischen und ästhetischen Kontexten immer wieder medial neu angeeignet. Mit den unterschiedlichen Aneignungen befasst sich die Ringvorlesung des Instituts für Medienkultur und Theater.
Interview mit Professor Jochen Hinkelbein vom Universitätsklinikum Köln
Notfall im All
Medizinische Versorgung während der Mission
Professor Jochen Hinkelbein vom Universitätsklinikum Köln hat sich auf die Luft- und Raumfahrtmedizin und die Behandlung von Notfällen in Extremsituationen spezialisiert. Dank intensiver medizinischer Untersuchungen und Vorbereitungen während der Astronautenauswahl sind medizinische Probleme bei Weltraummissionen zwar selten. Dennoch bleibt das Risiko schwerer medizinischer Ereignisse, insbesondere bei Langzeitmissionen wie etwa einem Flug zum Mars oder bei einem längeren Aufenthalt auf dem Mond, aber groß.
Herr Hinkelbein, beim Gedanken an die Mondlandung kann man schon einmal einen Sprung machen. Was würden Astronauten eigentlich unternehmen, wenn während einer Mission das Herz stehen bleibt?
Ein Herz-Kreislaufstillstand bei einem Astronauten während einer Mission ist der schlimmste Notfall. Für die Wiederbelebung in Schwerelosigkeit gibt es aber verschiedene Techniken und Konzepte, so dass man prinzipiell einen Betroffenen retten kann. Eine geeignete Möglichkeit ist die sogenannte Handstand-Technik, bei der man die gegenüberliegende Seite des Raumes nutzt und quasi im Handstand (mit den Füßen zur „Decke“) die Thoraxkompressionen ausführt. Allerdings wird das Behandlungsergebnis nach einer Reanimation wegen der nicht vorhandenen Intensivmedizin im Weltall dennoch oft sehr schlecht sein.
Ich packe meinen Notfallkoffer für den Mond und nehme mit … Gibt es eine medizinische Grundausstattung, bzw. Grundausbildung für Astronauten?
Alle Astronauten werden notfallmedizinisch trainiert – es ist ja nicht immer bzw. fast nie ein Arzt an Bord. Das müssen die Astronauten selbst übernehmen. Sie sind in medizinischen Basismaßnahmen ausgebildet, z.B. Versorgen kleinerer Wunden oder dem Legen eines venösen Zugangs. Was das wichtigste dabei im Weltall ist? Wahrscheinlich ein Buch für das Training und das Hintergrundwissen.
Was sind die wesentlichen Herausforderungen der Notfallmedizin im All?
Die Hauptherausforderung der Notfallmedizin im Weltall ist die Entfernung von der Erde – die Crew ist autark und auf sich alleine gestellt. Die Schwerelosigkeit erschwert darüber hinaus die notfallmedizinische Versorgung. Ein einfaches Beispiel: Selbst das Verabreichen einer Infusion ist schon schwierig, weil die Infusionslösung – nicht wie auf der Erde – durch die Schwerkraft quasi von alleine in die Vene fließt. Hier muss man vielmehr die Infusion mittels Druckbeutel verabreichen.
Wie studiert man eigentlich die Bedingungen und Auswirkungen der Weltraummedizin, da man ja nicht unbedingt, bzw. nur bedingt vor Ort Studien durchführen kann?
Das ist absolut richtig. Die Schwerelosigkeit kann man auf der Erde bei Parabelflügen für eine Dauer von ca. 22 Sekunden generieren. Das ist zwar nicht lang, aber dennoch für manche Studien hilfreich. Aktuell führen wir eine Studie zum Atemwegsmanagement und zur Intubation durch, um die Techniken und Fähigkeiten von professionellen Helfern zu analysieren. Ein Parabelflug ist dafür zu kurz, daher haben wir uns entschlossen die Studie unter Wasser beim Tauchen und somit in gefühlter Schwerelosigkeit durchzuführen.
Kosmisches in der elektronischen Musik
„Der Mond als Fenster zum Universum – Kosmisches in der elektronischen Musik“, so lautete der Titel eines Vortrags, den Juniorprofessor Marcus Erbe vom Musikwissenschaftlichen Institut kürzlich im Rahmen der Ringvorlesung „Mondspiegelung“ gehalten hat. In seinem Vortrag hat Juniorprofessor Erbe aufgezeigt, welche Rolle der Mond und das Universum als Thema in der elektronischen Musik spielen.
Musik aus Alltagsgeräuschen
Elektronische Musik ist im Gegensatz zur Instrumental- und Vokalmusik dadurch charakterisiert, dass sie mit elektronischen Klangerzeugern (z.B. Synthesizer, elektrische Orgel) produziert und über Lautsprecher wiedergegeben wird. Ihre Ursprünge hat die elektronische Musik in der Musique concrète mit Pierre Schaeffer (1948) und Pierre Henry (1949), die Alltagsgeräusche mit Schallplatten- und Tonbandgeräten aufgenommen und mit Hilfe von Tonbandschleifen sowie anderen technischen Geräten verfremdet haben. Anschließend haben sie die Alltagsgeräusche mit eingespielten Instrumenten gemischt, um aus den so geschaffenen Klängen Musikstücke zu produzieren.
Elektronische Klänge in der Filmmusik
Indem Alltagsgeräusche technisch verfremdet und mit elektronischen Geräten beliebige Wellenformen erzeugt werden können, ermöglicht elektronische Musik neuartige Klänge, wie sie mit herkömmlichen Instrumenten nicht spielbar sind. Gerade für die Vertonung von Filmen ergibt sich daraus ein unerschöpfliches Potenzial an Tönen und Geräuschen. Bei der Filmvertonung werden Instrumente und elektronisch erzeugte Klänge so miteinander gemischt, dass daraus ein komplexer Klangteppich entsteht, der die emotionale Wirkung des Bildes beim Zuschauer intensiv verstärken kann. Daher ist es nur konsequent, dass elektronische Klänge auch genutzt werden, um Soundtracks für Filme zu produzieren, die das Weltall und die Raumfahrt zum Thema haben. Als Beispiele seien die Filmklassiker „Forbidden Planet“ (USA, 1956), „Raumpatrouille Orion“ (BRD, 1966) und „Der schweigende Stern“ (DDR/Polen, 1959) genannt.
Passende Klänge zum Bild
Für die Vertonung von Filmszenen, die das Weltall zeigen, werden oftmals flächige, schwebende Klänge mit viel Hall- und Echo-Effekten verwendet, um so die Weite des Alls zum Ausdruck zu bringen. Raumschiffe, Maschinen und bedrohliche Monster werden häufig durch tiefe, dumpfe Töne und Geräusche akustisch repräsentiert, teilweise ergänzt um perkussive Klänge, wie beispielsweise bei den Schrittgeräuschen des ID-Monsters im Film „Forbidden Planet“. Die Sprache von Außerirdischen wird in Filmen zuweilen mit Hilfe von Tonsequenzen zum Ausdruck gebracht, die aus vielen schnell aufeinanderfolgenden kurzen elektronisch erzeugten Tönen bestehen.
Wirkung der Filmmusik
Dass Klänge die emotionale Wirkung von Filmbildern beim Zuschauer verstärken können, beruht vor allem auf individuellen Erfahrungen mit dem Stilmittel Musik, die wir beim Ansehen vieler Filme gemacht haben. Daher haben wir beim Betrachten von Filmsequenzen, zumindest unterbewusst, entsprechende Erwartungen an die Filmmusik bzw. den Soundtrack. Wir wären zum Beispiel irritiert, wenn eine Filmszene mit aggressiven Aliens von leisen, weichen Harfenklängen begleitet würde – es sei denn, wir erkennen, dass in diesem Fall die Musik vom Filmemacher aus dramaturgischen Gründen ganz bewusst so gewählt wurde.
„Spacige“ Klänge in der Popmusik
„Spacige“ Klänge sind nicht nur für die Musik in Filmen, die das Weltall und die Raumfahrt zum Thema haben, prägend, sondern können auch andere Musikrichtungen bereichern. Sequenzen mit wabernden, „spacigen“ Klängen wurden unter anderem in vielen elektronischen Popmusik-Stücken der 1960er und 70er Jahre verwendet, zum Beispiel in Klaus Schulzes „Moondawn“ und in Stücken der Gruppen Ash Ra Tempel und Tangerine Dream. Auch heute noch sind solche Klänge wesentliches Element der Ambient- und New Age-Musik sowie mit ihr verwandter Richtungen.
Immersives Erleben des Weltalls
Die Digitalisierung in der elektronischen Musik bietet mittlerweile viele zusätzliche, neuartige Möglichkeiten der Klangerzeugung und -veränderung. Zudem können diese Klänge ohne großen Aufwand in einem virtuellen 3D-Raum angeordnet und bewegt werden. Dies ermöglicht immersive, klangliche Ausdrucksformen, die dazu beitragen werden, dass wir in Zukunft immer intensiver in Film, Computerspiel und anderen Medien virtuell in die Weiten des Weltalls eintauchen können.
Wem gehört der Mond?
Die Amerikaner wollen es, die deutsche Industrie will es und sogar das kleine Luxemburg hat es schon beschlossen: Die Ausbeutung des Mondes zu kommerziellen Zwecken. Space Mining heißt das Schlagwort, seltene Erden sucht man. Goldfieber macht sich breit. Doch wem gehört der Erdtrabant? „Allen!“ sagt Weltraumrechtler Professor Stephan Hobe.
In Amerika verkauft ein Mann von der selbsternannten Lunar Embassy Parzellen auf dem Mond. Das Land kostet je nach Lage zwischen 24.99 und 499.80 US Dollar. Derweil beschäftigt sich in Köln ein Rechtswissenschaftler mit den Nachrichten, die er liest: „Can the U.S. Annex the Moon?“ – „Who owns the moon? – „Space Investors, Rejoice! There May Be Something Worth Mining on the Moon“. Wenn Professor Stephan Hobe solche Nachrichten über die Pläne einzelner Staaten sieht, auf dem Mond nach eigenem Gutdünken Mineralien zu fördern, wird er ungehalten. Der Wissenschaftler ist Spezialist für Luft- und Weltraumrecht und gilt als international angesehener Rechtsgelehrter. Nationale Gesetze zur Ausbeutung des Mondes, wie sie inzwischen in den USA und Luxemburg beschlossen wurden, sind für ihn Unsinn: „Ist der Mond ein Amerikaner, ist er ein Luxemburger? Sind Luxemburg oder Amerika zuständig, um solche Lizenzen zu erteilen?“, fragt er. „In meinen Augen ist das eine flagrante völkerrechtswidrige Überschreitung.“
Grund für diese Einschätzung ist der sogenannte Weltraumvertrag, der 1967 in Kraft trat und den bis heute 107 Staaten unterschrieben haben. Er definiert den Weltraum und die Himmelskörper als internationales Gebiet, in dem nur gemeinsame, dem Völkerrecht folgende, Verträge erlassen werden können. „Es gibt keine staatliche Hoheit, keine nationale Souveränität im Weltraum. Er ist ein internationaler Raum. Das gilt auch für den Mond.“ Dass die Amerikaner mehrfach eine Flagge auf den Mond aufgestellt haben, ändere daran nichts.
Den Mond und die Sterne kaufen
Also ist alles nur eine Fantasie? The man who sold the moon heißt eine Geschichte des amerikanischen Science Fiction-Autors Robert A. Heinlein, in der ein begnadeter Geschäftsmann den Mond verkauft. Kann man den Mond verkaufen? Private Unternehmungen im Weltall sind gestattet, müssen aber von einem Staat lizensiert werden, der daraufhin Kontrollpflichten hat und für Schäden haftet.
Und mit den Fortschritten in der Raumfahrt und der NewSpace-Bewegung werden die ökonomischen und militärischen Begehrlichkeiten nun in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts größer. 382 Kilo Mondgestein sind bisher die Ausbeute der amerikanischen und russischen Mondexpeditionen. Es dient wissenschaftlichen Zwecken, hat aber keinen nennbaren kommerziellen Wert.
Doch die Fantasien fliegen hoch, wenn es um Bodenschätze geht: Seltene Erden oder Gold sollen auf dem Mond oder Asteroiden schlummern. Deswegen gab es im Jahr 2015 einen Vorstoß im Kongress der USA, der vorschlägt, den Abbau auf Asteroiden durch Amerikaner auch amerikanischem Recht zu unterstellen. „Ich halte den Asteroid Mining Act für völkerrechtlich problematisch. Ressourcenabbau und -ausbeutung auf Himmelskörpern ist eine internationale Frage, die gehört nicht in das Gebiet nationaler Regelungen. Die Amerikaner versuchen beharrlich, das nicht zu beachten“, erklärt Hobe.
Der Mondvertrag – ein Vertrag, den niemand will
„Die Sache zeigt allerdings auch, dass die Ausbeutung von Bodenschätzen auf Himmelskörpern noch der rechtlichen Beantwortung harrt. Wir haben einen Mondvertrag, der bis jetzt noch nicht von allen akzeptiert wird und das liegt genau daran, dass man über die Ausbeutungsfrage keinen Konsens erzielen konnte“, so Hobe.
Der sogenannte Mondvertrag von 1979 ist der umstrittenste von allen Verträgen, die sich mit dem Weltraum beschäftigen. Nur 17 Staaten haben ihn ratifiziert. „Eine Frage stand dabei im Vordergrund: Wie darf man den Mond und andere Himmelskörper ausbeuten?“, erklärt er. „Der Vertrag enthält eine Klausel, die besagt, dass Erlöse aus der Nutzung der Ressourcen nicht allein dem ausbeutenden Staat, sondern in einer nicht festgelegten Art geteilt werden müssen.“ Der Mondvertrag ist demnach als eine Verfeinerung der allgemeinen Regeln zu verstehen, die 1967 im Weltraumvertrag niedergelegt wurden. „Das Aneignungsverbot für Himmelskörper gibt es schon seit 1967.“ Erforschung und Nutzung des Mondes sollen Anliegen der gesamten Menschheit sein, Erträge für die gesamte Menschheit dürfen nicht ausgeschlossen werden. „Das ist ein Verbot der exklusiven staatlichen Nutzung“, so der Weltraumrechtler.
Internationale Staatengemeinschaft am Zug
„One small step for a man, a huge leap for mankind“ sprach der amerikanische Astronaut Neil Armstrong am 21. Juli 1969 und senkte seinen Fuß in den Mondstaub. Mit ihm kam nicht nur ein menschliches Individuum auf dem Erdtrabanten an, sondern auch das menschliche Recht. Das gibt heute schon viele Antworten, muss aber im Rahmen des Völkerrechts ausgebaut werden. Deswegen meint Stephan Hobe: „Richtig dürfte sein zu sagen: heute steht noch gar nichts fest. Die Vertragspartner müssten die Forderungen aus dem Weltraumvertrag und Mondvertrag ausformulieren. Deshalb bin ich schon lange der Auffassung, dass es einer Staatenkonferenz bedarf, die eine Antwort findet und sei es auch nur ein Moratorium, wie in der Antarktis.“ Und er bleibt dabei: „Es gibt keine Berechtigung für Nationalstaaten, die Nutzung von Gemeinschaftsräumen unilateral zu regeln. Die Regulierung von Mondaktivitäten kann nur staatengemeinschaftlich erfolgen.“
In Amerika verkauft derweil ein Mann namens Dennis Hope Parzellen auf dem Mond nach amerikanischen Recht. „Since 1980, Over One Billion Acres sold and distributed Worldwide“ steht auf der Website der Lunar Embassy. Ob es zum Jubiläum der ersten Mondlandung Sonderkonditionen gibt? Die Fantasien fliegen hoch – bis zum Mond.
Ein Kölner Stück vom Mond
Der Mond ist rund 380.000 Kilometer von der Erde entfernt – gleichzeitig, aber nur etwa 500 Meter vom Hauptgebäude der Universität. Denn was viele nicht wissen: auch die Uni ist im Besitz eines kleinen Stückchens Mond. Es stammt von einem Mondmeteoriten, der am 10. März 1998 in der Libyschen Sahara gefunden wurde. „Dar al-Gani 400“ (oder kurz: DaG 400) wie der Meteorit heißt, war mit einem Gewicht von 1,425 Kilogramm das bisher schwerste gefundene Exemplar. Durch einen Abgleich mit Gesteinsproben der Apollo-Missionen konnte die Herkunft vom Mond zweifelsfrei bewiesen werden.
Sowohl der Mondmeteorit, als auch ein Marsmeteorit und viele andere Gesteinsproben und Kristalle können im GeoMuseum der Uni besichtigt werden. Geöffnet ist das Museum mittwochs von 14 bis 20 Uhr und jeden letzten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr.
Weitere Informationen: http://www.geomuseum.uni-koeln.de/
Interview mit KölnAlumnus und Astronaut Reinhold Ewald
„Auf dem Mond ist viel unerledigt geblieben“
Reinhold Ewald hat an der Universität zu Köln Physik studiert. Im Interview blickt er anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der ersten astronautischen Mondlandung zurück in die Vergangenheit und gibt einen Ausblick in die Zukunft.
Herr Ewald, Sie sind im Jahr 1956 geboren und waren bei der Mondlandung 12 Jahre alt. Wie haben Sie den Moment erlebt?
Ich weiß nicht mehr in welchem Sessel ich im Fernsehzimmer gesessen habe, das war ja damals noch zentral mit allen zusammen. Aber ich weiß, dass meine Eltern mich geweckt haben. Der eigentliche Ausstieg ist vorgezogen worden. Die Astronauten baten darum, nicht gleich schlafen gehen zu müssen, als sie am Mond angekommen waren, so dass der verabredete Zeitablauf vorgezogen wurde. Ich weiß genau, wie ich vorm Fernseher gesessen habe und diese Dauerlivesendung im WDR gesehen habe, Mondflug in Frage und Antwort mit einem Expertengremium, das hat mich fasziniert. Koryphäen der deutschen Weltraumforschung waren aufgereiht, ob Petry, der Astronom oder Harry Ruppe und Heinz-Hermann Koelle für Raumfahrtfragen. Vor allem habe ich die alle nachher nochmal getroffen, das war ein Brückenschlag von damals zur bewussten Beschäftigung mit dem Thema. Ich habe als begeisterter Knabe nichts zur Mondlandung beigetragen – aber sie hat sehr viel zu dem beigetragen, was ich später gemacht habe.
Waren Sie als Kind schon von Mond und Sternen begeistert?
Schon als Kind war ich Science-Fiction begeistert und habe die Jugendbibliothek leergelesen. Dann habe ich ausnahmsweise die Erlaubnis bekommen, in die Erwachsenenbibliothek zu gehen und Zukunftsromane zu entleihen, wie das ja damals hieß. Durch meinen zehn Jahre älteren Bruder kamen englische Science-Fiction dazu, Isaac Asimov und Arthur C. Clarke habe ich verschlungen. Die Prägung irgendwas mit Astronomie zu machen war ausschlaggebend für mein Physikstudium an der Universität zu Köln.
Haben Sie auch damals schon die frühen Apollo- oder Gemini-Missionen verfolgt?
Die Apollo-Missionen habe ich verfolgt und ich weiß, dass ich auf den ersten Weltraumausstieg von Leonov reagiert habe: Da habe ich gemalt, eine Kapsel mit Seil und Astronauten. Hätte ich es nur mal aufbewahrt. Ich hätte mir nie träumen lassen so in Stein gemeißelte Typen, Helden wie Gagarin oder Leonov selbst zu treffen. Ich habe bis heute noch Kontakt mit Leonov über unsere Weltraumfahrer Association, die wir über alle Grenzen gegründet haben. Da kennt man sich, da respektiert man sich, da zieht man am gleichen Strang was die Botschaft angeht: Konflikte auf der Erde machen gar keinen Sinn, wenn man von oben drauf schaut.
Apollo 17 war 1972 zum letzten Mal am Mond. Halten Sie eine Rückkehr zum Mond für sinnvoll?
Auf dem Mond ist viel unerledigt geblieben, trotz allen zurückgebrachten Mondgesteins. Eine systematische Erforschung ist auch ein Blick in die Geschichte der Erde. Zwei Himmelskörper, die unterschiedlicher kaum sein können, aber in der gleichen Umgebung groß geworden sind. Wir können viel für das weitere Erforschen des Weltalls lernen, in dem wir vorhandene Materialien zu nutze machen. Wir werden sicherlich auf Missionen tiefer ins All kein Wasser in ausreichenden Mengen mitnehmen können. Diese Ansätze münden in einem Plan eine Übergangstation oder Durchgangsstation zu etablieren, die genau solche Dinge wie den Abstieg auf die Mondoberfläche, aber auch Anlegestelle für weitergehende Missionen ermöglichen soll. Sehr schön finde ich, dass die Idee aus der Tradition der Internationalen Raumstation entstanden ist, also aus dem gleichen Konsortium, das auch die ISS betreibt. Was wir für die letzten zehn, 15 Jahre gemacht haben ist das Rollenmodell für weitere Weltraumexploration. Und ein wichtiger Faktor für die Forschung ist natürlich die Neugier. Nicht alles was an der Uni erforscht wird, ist ja 1:1 in kommerzielle Anwendung zu überführen.
Der Blick in die Glaskugel: wann setzt wieder ein Mensch einen Fuß auf den Mond?
Hoffentlich auch eine „Menschin“ diesmal. Die Amerikaner haben sich das Ziel gesetzt bis 2024 auf den Mond zurückzukehren. In Fokussierung der Kräfte auf dieses Ziel ist Mitte der 20er Jahre sicher möglich. Auch Europa ist mit einem wichtigen Antriebsteil dabei, dem European Service Modul. Da passiert etwas anderes als bei Apollo, keine Nation kann dies alleine stemmen. Wer kann also die Technologie liefern? Die Europäer bringen den Antrieb der Kapsel, die Kanadier ihren Roboterarm, die Japaner weitere Technik. Da hat sich eine breite Basis ergeben, das ist eine gute Voraussetzung für eine Rückkehr zum Mond und ein Start, wie man von da weiter kommt.
Weiterkommen heißt dann Mars?
Der Mars hätte ganz andere Fragestellungen im Vordergrund, nicht nur die Genese des Sonnensystems, sondern auch die Frage, wo ist der Mars falsch abgebogen? Ein Planet, der auch die Entwicklung der Erde hätte nehmen können, eine Atmosphäre hatte, was ist da passiert? Finden wir stecken gebliebene Evolution, wenn wir bisschen tiefer bohren? Das machen jetzt Roboter mit großen Schwierigkeiten – wenn die auf einen Stein treffen, dann war es das mit der Mission. Da können Menschen natürlich sehr viel zielstrebiger forschen. Harrison Schmidt, der als einziger Geologe mit Apollo 17 auf dem Mond war, konnte durch sein zielgerichtetes Sammeln von Stein ganz anderes ausrichten als seine nur angelernten Kollegen vor ihm.
Glauben Sie an eine Landung auf dem Mars in den 30er Jahren?
Denkbar ja, es braucht aber auch politische Unterstützung, wie sie in Amerika beim Apollo-Programm da war. Und es muss nach einer guten Idee aussehen, immer mit dem Gedanken, dass die Menschheit weitergebracht wird. Es gibt genug Probleme auf der Welt: Hunger, Zugang zu Wasser und anderes. Da kommt die Frage, warum wir Geld im Weltall „verpulvern“? Erstens werden technische Entwicklungen auf der Erde gemacht, die uns auch hier weiterhelfen. Zweitens können wir im Weltall viel über unser Ökosystem, unser Raumschiff Erde lernen. Das sind genau die Fragen die uns wieder zum Mond und letztlich auch zum Mars bringen werden. Aber ich würde es nicht übereilen. Eine Mentalität die nur darauf erpicht ist, erster irgendwo zu sein, sich ratlos umzuschauen wieder in seine Kapsel zu steigen, ist falsch und bringt nix. Man sollte es machen, wie wir auch Polarforschung betreiben: Geschlossenen Gruppen von wissenschaftlich interessierten Menschen genug Zeit geben auch sauber katalogisierte Funde nach Hause zu bringen.
Sie haben Physik an der Uni Köln studiert. Hatten Sie damals schon die Idee Astronaut zu werden?
Astronaut wollte ich damals noch nicht werden, aber Astronom schon. Ich habe mit dem Gedanken gespielt in Bonn Astronomie oder in Köln am Physikalischen Institut Physik zu studieren, dort gefiel es mir besser. Dann hat ein weiser Prof. Schmidt aus Bonn gesagt: „Machen Sie erst mal was Ordentliches, machen Sie Physik. Zur Astronomie können Sie immer noch wechseln.“ Parallel zur Physik habe ich in Bonn auch Astronomie gehört und so war Astronomie ein begleitender Teil meines Physik-Studiums. Ich habe den ganzen Studiengang Physik absolviert und hatte dann das Glück, dass mit der Ankunft von Prof. Winnewisser die Radioastronomie gegründet wurde. Dann habe ich mich der Gruppe anschließen können und habe mit dem 3m Radioteleskop am Gornergrat phantastische Erlebnisse gehabt. In weitgehend studentischer Arbeit haben wir ein Teleskop recht eigenständig betrieben. Das hat eine ganze Generation von Radioastronomen, die überall tätig sind, hervorgebracht. Irgendwann habe ich von Radioastronomie Abschied genommen und mich als Astronaut beworben. Auch ohne dass ich gleich ins Astronautencorps übernommen wurde habe ich dann Weltraumprojekte betreut.
Einer der Schwerpunkte an der Universität zu Köln ist heute die Alternsforschung. Welche Parallelen sehen Sie hier zur Raumfahrt?
Durch Eintritt in die Schwerelosigkeit und das Leben in künstlicher Bordumgebung haben wir Phänomene, die als beschleunigtes Altern beschrieben werden können. Die gute Nachricht: Bei Astronauten sind Knochen- und Muskelschwund reversibel. Bei älteren Menschen ist das etwas, was man bestenfalls verzögern oder aufhalten kann, aber nicht rückgängig zu machen ist. Da lernen wir beide viel wenn man die Dinge vergleicht. Das untersuchen wir jetzt nicht nur phänomenologisch im Weltall, sondern auch ursächlich, wir forschen woran das liegt. Ist es die genetische Ausprägung, ist es vielleicht hormonell bedingt? Warum ist das Immunsystem geschwächt in der Schwerelosigkeit? Das ist erst mal kein Zusammenhang zwischen Gravitation und Funktion des Immunsystems, aber irgendwas verschaltet sich im Körper so, dass Astronauten ähnlich wie ältere Menschen anfällig sind für Immunreaktionen. Die Tür ist offen zwischen Alternsforschung und Weltraumforschung. Auch die Haut altert im Weltall schneller, weil die Entschuppung, das Ablösen der nicht mehr gebrauchten Hautbestandteile, nicht mehr so funktioniert. Es gibt eine Menge von Parallelen, und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt versucht zum Beispiel im :envihab Weltraumforschung auf der Erde zu betreiben.
Woran arbeiten Sie heute?
Ich arbeite an der Uni Stuttgart, wo man mich auf den Lehrstuhl Astronautik und Raumstationen berufen hat. In dieser Funktion haben wir gerade ein Weltraum-Experiment am laufen, wie man im Rheinland sagt. Ein Algenexperiment, das CO2 aus der Luft nimmt und dafür Sauerstoff abgibt. Um entsprechend moderne und regenerative Lebenserhaltungssysteme auf Langzeitmissionen mitnehmen zu können, muss man diese Vorversuche machen. Das Experiment nennt sich Photobioreaktor und läuft auf der ISS. Die Algen haben auch den Vorteil, dass man Algenplätzchen oder Nahrungsergänzung daraus machen, wenn sie abgestorben sind.
Wenn Sie weitere Missionen planen dürften, welches Reiseziel würden Sie sich astronautisch oder robotisch wünschen?
Eine Herausforderung ist tatsächlich der Mars. Wichtig ist auch die Frage, wie wir uns gegen einen Asteroiden wehren könnten, der die Erde bedroht. Das ist ein sehr interessantes Raumfahrt-Vorhaben. Die Raumfahrt hat unterschiedliche Aufgaben: Raumfahrt als Vorsorge, sowohl in der Beobachtung der Erde und des Klimawandels, als Ratgeber für gerechtere Verteilung von Ressourcen auf der Erde und als Vorsorge für Gefahren, die von der Sonne kommen können in Form von Protuberanzen oder in Form von erhöhter Sonnentätigkeit. Das sind Dinge, die Raumfahrt in Kulturnationen verankern sollten. Und dann setzen wir noch eins drauf, in dem wir auch als Erforscher Exploration betreiben und als Forscher die Neugier der Menschen ins Weltall treiben.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Ewald.
Interview mit Stephan Packard und Tanja Weber
„Ohne Fernsehen hätte es die Mondfahrt nicht gegeben“
Warum fasziniert uns der Mond? Welche Rolle spielte das Fernsehen bei der ersten bemannten Mondlandung 1969? Und wieso halten sich die Verschwörungstheorien rund um die Mondlandung so hartnäckig?
Darüber haben wir im Doppelinterview mit zwei Medienkulturwissenschaftler*innen von der Uni Köln gesprochen. Stephan Packard ist Professor für Kulturen und Theorien des Populären an der Uni Köln und unter anderem Comicforscher. Tanja Weber ist Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Medienkultur und Theater und beschäftigt sich mit Fernsehgeschichte,-theorie und -analyse.
Womit erklären Sie sich die Faszination der Menschen für den Mond?
Packard: Aus meinem Blickwinkel ist das immer verschieden. Der Mond wird immer wieder auf neue Art instrumentalisiert und in verschiedene Kontexte eingebunden. Das geht bis in die Antike zurück und reicht von Mondgottheiten bis zur Zeitmessung. Ich denke, dass die Faszination also nicht so sehr vom Mond selbst ausgeht, sondern aus einem entgegenkommenden kulturellen Interesse.
Was finden Sie persönlich faszinierend am Thema?
Weber: Was man von Zeitzeugen über die Mondlandung liest, gibt die Faszination der Zuschauer gut wieder: „Das hat mein Leben verändert. Ich bekomme immer noch Gänsehaut.“ Diese Faszination zusammenzubringen mit den schwammigen und für uns heute nicht direkt spektakulären Bildern, finde ich als Wissenschaftlerin spannend.
Und wodurch fasziniert Sie der Mond, Professor Packard?
Packard: Mein Mondbegehren hat mit Futurologie zu tun. Da ist natürlich viel Ideologie mit drin, Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbindet sich etwa mit Expansionswillen. Aber die Hoffnung gehört für mich dazu.
Die Mondlandung 1969 wurde live übertragen und war ein absolutes Erlebnis für alle Zuschauerinnen und Zuschauer. Können Sie einordnen, was dieses Event auch für die Medien bedeutete?
Weber: Meine These ist: Die gesamte Mondfahrt wurde für das Fernsehen konzipiert und inszeniert. Ohne Fernsehen hätte es die Mondfahrt nicht gegeben. Es war unbedingt wichtig, dass das Fernsehen die Astronauten als Figuren geschaffen und gleichzeitig als Kameramänner ausgebildet hat. Es war ein Propagandaereignis, aber doch ein friedliches, nicht wie 9/11, das den Erdball auf ganz andere Weise zusammenbrachte.
Packard: Die Propaganda sieht man auch an der Universalisierung. Die Amerikaner sagen: Wir als Menschen haben den Mond erreicht – obwohl es de facto nur Amerikaner, nur Männer und nur weiße Männer waren.
Weber: Und gleichzeitig wurde in einem totalen Akt der Vereinnahmung die amerikanische Flagge gehisst.
Von Anfang an gab es Verschwörungstheorien rund um die Mondlandung. Warum ist das so und wie erklären Sie sich, dass diese weiter so hartnäckig verbreitet werden?
Weber: Das schwammige televisuelle Bild ist so mehrdeutig und steht in totaler Diskrepanz zu den tiefenscharfen Fotos, die es danach gab. Und dazu kommt: Dass es Spaß bringen kann, Verschwörungstheorien gegen etwas zu denken! Und die ganze Inszenierung im historischen Kontext liefert natürlich perfekten Stoff für Verschwörungstheoretiker.
Packard (wirft ein): Aber wir beide sind uns einig: Die Mondlandung hat stattgefunden.
Weber (lacht): Obwohl wir immer wieder Witze darüber machen!
Professor Packard, Sie beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit Comicforschung. Was ist ihr Lieblingscomic mit Mondbezug?
Tatsächlich ist das der berühmteste Comic zur Mondlandung, den ich als Kind zum ersten Mal gelesen habe: Der zweibändige „Tim und Struppi“-Mondcomic von Hergé.
Wie hat sich Ihr Blick auf diesen Comic verändert – gab es Aspekte, die Sie heute als Erwachsener anders wahrnehmen?
Es gibt eine lange Szene im ersten Band, in der im Wesentlichen nur die Rakete vorgestellt wird. Das wird aber über unzählige Seiten als Slapstick-Szene inszeniert. Das erzeugt Dynamik. Mich hat diese Sequenz schon als kleines Kind fasziniert. Heute weiß ich, wie die Begeisterung für die Szene zustande kommt: Durch den Slapstick stellt sie treibende Kräfte neben die Informationen, die für sich genommen zwar auch interessant sind, aber nicht dasselbe Begehren zum Weiterlesen auslösen könnten.
Ich habe als Kind die ruhige, zweite Hälfte auf dem Mond fast als Enttäuschung empfunden. Heute kann ich aber sehen, wie sich Hergé für eine andere Art von Bild begeistert und die Gelegenheit, noch einmal etwas völlig Anderes zu zeichnen. Dieser zweite Band konzentriert sich auf den Mond als Ort. In ihm geht es also nicht wie in Band 1 um die Geschichte – sondern um die Darstellung: So malt Hergé den Mond.
Und wie tut er das?
Tintenschwarz, mit einzelnen Lichtpunkten. Die Menschen und die Rakete sind völlige Fremdkörper, die fast die gleiche Farbe haben und die einzigen runden Formen sind. Die runden Formen gehören in diesem Comic den Menschen. Es ist eine kontrastierende Gegenüberstellung: Sie sind in der eckigen, statisch scheinenden Kraterlandschaft des Mondes grobschlächtig und können sich kaum bewegen.
© Carlsen Verlag, Objectif Lune, Castermann, 1953, On a marché sur la Lune, Castermann, 1954
Mond-Quiz
Testen Sie Ihr Wissen über den Mond.
Texte: Jan Voelkel, Anneliese Odenthal, Robert Hahn, Peter Kohl, Mathias Martin, Sarah Brender, Anette Hartkopf, Jürgen Rees, Eva Schissler
Bild/Video/Audio: NASA, ESA, Adam Polczyk, Janine Klösges, Mathias Martin
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