Der Titel des Projektes „MINTegration“ ist Programm: Es geht um die Integration jugendlicher Flüchtlinge verknüpft mit der Nachwuchsförderung in den MINT-Fächern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Uni Köln wollen für die Gruppe der jugendlichen Flüchtlinge geeignetes Lehrmaterial für den MINT-Unterricht entwickeln und dieses gemeinsam mit ihnen erproben.

Es gibt in Deutschland zu wenig junge Leute, die die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) studieren. Die Absolventinnen und Absolventen dieser Fächer werden auf dem Arbeitsmarkt händeringend gesucht. Das Projekt MINTegration setzt bei der Förderung der MINT-Fächer in den Schulen an. Die  im Projekt entwickelten Lehrmaterialien werden dann zum einen Lehrerinnen und Lehrern und Schulen zur Verfügung gestellt und zum anderen in den Schülerlaboren der Uni Köln regelmäßig zum Einsatz kommen. Die Schülerinnen und Schüler der Pilot-Schule gehen in die Vorbereitungsklassen des Schiller-Gymnasiums in Weyertal und sind zwischen 13 und 17 Jahre alt. Sie kommen aus Syrien, Irak, Somalia, Afghanistan.

Elias, 12-jähriger Schüler aus Syrien, pipettiert neugierig und erklärt ganz selbstverständlich: „Chemie war schon in Syrien mein Lieblingsfach. Jetzt muss ich zwar alles auf Deutsch machen, aber die Regeln der Chemie sind ja überall die gleichen.“

„Heute sind die Studenten unsere Lehrer für Biologie und Chemie. Ich bin gespannt, was wir machen werden. Ich hoffe, dass ich alles verstehen kann“, sagt Manar, 16-jähriges Mädchen aus dem Irak vorsichtig. Sie macht sich Sorgen, ob ihre Deutschkenntnisse ausreichen, um den Anweisungen der Studentinnen und Studenten zu folgen.

Den Projekttag ‚“Beeren“ hat Victoria Hollmann (Uni Köln und Mercator-Institut) gemeinsam mit den Studenten des Masterstudiengangs „Sonderpädagogik“ entwickelt. Sie achtet dabei besonders auf die sprachlichen Voraussetzungen der Flüchtlingskinder und -jugendlichen: „Je besser wir den Bogen von den biologischen Grundlagen zum Alltag der Schüler schlagen können, umso leichter ist es die Schüler zu motivieren und für biologische Themen zu begeistern. Durch das gemeinsame Erleben können sprachliche und fachliche Kompetenzen leichter erworben werden. So lassen sich Naturwissenschaften und Integration ideal miteinander verbinden.“

Ahmed, 13 Jahre als aus dem Irak, probiert das erste Mal Johannisbeeren. Und, wie schmeckt´s? „Sauer“, sagt er. „Aber auch süß. Ein bisschen wie Tomaten“. Das Geschmackserlebnis bringt Ahmed danach zu Papier. Konzentriert schreibt er die Wörter auf. Nele Knigge, eine Masterstudentin, die im Projekt mitarbeitet, hilft ihm, wenn er bei der Rechtschreibung zögert.

Zum Thema „Vitamin C“ geht der Masterstudent Mirko Trenz mit den Jugendlichen in den Modularen Modellgarten der Uni Köln, auch MoMo genannt (http://modellgarten-momo.uni-koeln.de/)

Die Kinder haben gelernt, den Vitamin C-Gehalt von Lebensmitteln zu bestimmen. Jana vergleicht hier den Teststreifen mit der Farbskala. Jana ist 11 Jahre alt und kam vor 2 Jahren mit ihren Eltern aus Syrien.

Mit Blaubeeren lassen sich vorzügliche Blaubeer-Muffins backen. Auch dabei lernen die Kinder Abläufe, Abmessen von Zutaten und neue Wörter. „Das Backen hat viel Spaß gemacht. Jetzt können wir auch zu Hause mal backen“, sind sich alle Schülerinnen und Schüler einig.

Jana und ihre Klassenkameraden Hussein (11) und Julian (12), beide aus dem Irak, essen experimentierfreudig jeder ein Stück Zitrone. Die Bildereihe bestätigt: Sauer macht lustig.

„Ich bin überrascht, wie gut ich mich mit den Schülern verständigen kann“, beschreibt Studentin Lena Schmidt, die im Rahmen einer Masterveranstaltung die Unterrichtsstunden mit ihren Kommilitonen/innen geplant hat, ihre Erfahrung. „Bei den Fachbegriffen sind sie zwar anfänglich noch gestolpert, aber dann hat auch das geklappt. Selbst die sprachliche Zusammenfassung war kein Problem. Unsere Vokabelliste war dabei auch sehr hilfreich.“

„Drei von sechszehn Schülerinnen und Schülern in der Klasse haben sich für ein naturwissenschaftliches Praktikum entschieden, z.B. in einer Apotheke. Das liegt über dem Durchschnitt und hängt aus meiner Sicht mit dem Projekt MINTegration zusammen“, sagt Marion Berkenhoff, Klassenlehrerin einer Vorbereitungsklasse am Schiller Gymnasium in Köln.

„Die jugendlichen Flüchtlinge in den Vorbereitungsklassen benötigen anderes Lehrmaterial und andere Ansprache“, erklärt Frau Schulz-Krause, Rektorin der Pilotschule Schiller-Gymnasiums den Bedarf auf der Seite von Schule und Lehrer/innen. Marion Berkenhoff ergänzt: „Für uns Lehrer in den Vorbereitungsklassen ist es leider noch schwierig den Kontakt zu den Eltern aufzubauen. Das wäre sicher ein nächster wichtiger Schritt für die Integration unserer Schüler.“

Einsatz digitaler Medien

Der Einsatz digitaler Medien in Lehr-Lern-Szenarien ist Gegenstand aktueller didaktischer Forschung. Prof. Banerji beschreibt den Beitrag der digitalen Medien im Projekt MINTegration: „Wir haben im Projekt MINTegration die Versuchsanleitung digitalisiert und u.a. mit Videos hinterlegt, um die Sprachbarriere dieser Schüler im Umgang mit naturwissenschaftlichen Fächern weiter abzubauen. Wir können so unseren Studierenden einen praxisbezogenen Zugang zu digitalen Medien und ein Lernerlebnis mit sofortiger Anwendung bieten. Die gewonnenen Daten lassen sich sehr gut wissenschaftlich für die Evaluation der Lehrmethodik verwerten.“

Beispiele für Vokabeln

Beispiele für Anleitungen

Das Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) an der Universität zu Köln hat die Erfahrungen und Lehrmaterialien aus dem Pilotprojekt im Rahmen der Online-Plattform „digiLL_NRW“ bereits genutzt. Auf den diggiKurs können Lehramtsstudierende und Lehrkräfte zugreifen und sich online weiterbilden.


Text: Corinna Kielwein


Bild/Video: Corinna Kielwein & Janine Kloesges


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